CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)
Adrian Belew - Side Two
(33:08, Sanctuary, 2005)
Einmal König, immer König - wer ist denn nun derzeit der bessere karmesinrote König? Robert Fripp (der in letzter Zeit meist mit seinen Soundscapes durch die Lande tingelt und im Vorprogramm von Joe Satriani und Steve Vai für ein eher verstörtes Publikum sorgte, während er auf der US Tour von Porcupine Tree auf das passende bzw. musikalisch offene Publikum traf) oder doch eher Adrian Belew? Es scheint, als ob Belew musikalisch momentan wesentlich mehr zu sagen hat, auch wenn er sich in der Einzelbetrachtung der CDs seiner aktuellen Trilogie von der Lauflänge als eher geizig zeigt. Gerade mal ein paar Monate nach "Side One" folgt wie angekündigt "Side Two". Einerseits gibt es einige Parallelitäten zu "Side One" - die relativ kurze Spielzeit von etwas über 33 Minuten, der deutlich vernehmbare King Crimson Touch, das Spiel mit schrägen Melodien und Elementen, der Ansatz, die "Songs" in verträgliches 3-4 Minuten Format zu packen - und doch ist "Side Two" in mehrerer Hinsicht anders. Dieses mal spielte Belew das Album fast komplett im Alleingang ein, lediglich für zwei Songs holte er sich Unterstützung durch Erik Cole (Akustische Gitarre, Balalaika, Theremin), Peter Hyrka (Violine) und Gary Tussing (Cello). Im Gegensatz zum Vorgänger gibt es dieses mal wesentlich mehr akustische, aber vor allem jede Menge elektronische Elemente - seien es nun der souverän tickernde Rhythmus oder auch die verschiedenen Untertöne bzw. Klangmuster im Songunterbau. Auch wenn die Titel auf "Side Two" wieder mal weit davon entfernt sind, Normalität oder Eingängigkeit zu bieten, so ist der verquere, bisweilen sehr fragmentierte Ansatz von Belew dennoch frischer und lebendiger als die rein konstruierte und mitunter etwas zu steril wirkende Musik der letzten beiden King Crimson Alben. Der Protagonist selbst betrachtet sein Werk als ein Album im D.J. Format, welches auf Drum Loops und Synthesizer Muster fußt, wobei er genau die Elemente hinzufügt, die seiner Ansicht nach rein elektronischer Musik fehlt. "Side Two" bietet somit eine weitere interessante, herrlich unkonventionelle Facette der mehr elektronischen Art aus dem Giftschrank von Adrian Belew. Man darf gespannt sein, was der sympathische Amerikaner sich für den dritten Teil einfallen lässt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2005