CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)
Popol Vuh - In den Gärten Pharaos
(57:55, SPV, 1971)
Popol Vuh - Hosianna Mantra
(42:05, SPV, 1972)
Popol Vuh - Seligpreisung
34:11, SPV, 1973)
Popol Vuh - Nosferatu Original Soundtrack
(65:35, SPV, 1978)
Popol Vuh - Agape-Agape Love-Love
(39:59, SPV, 1983)
Popol Vuh, die nächste Ladung. Nachdem im Mai diesen Jahres bereits die ersten vier von insgesamt 19 Popol Vuh Alben, die SPV wiederveröffentlicht, erschienen, werden nun weitere fünf Alben im Digi-Pack, mit ausführlichen Liner-Notes (auch wenn ärgerlicherweise alle Alben die gleichen Texte und fast die gleichen Bilder enthalten, Informationen über das jeweilige Alben bzw. die daran beteiligten Musiker fast komplett fehlen bzw. sehr rudimentär gehalten sind) und Bonustracks auf den Markt nachgelegt. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Material aus den 70ern, mit "Agape-Agape Love-Love" ist aber auch ein Album aus den 80ern vertreten. "In den Gärten Pharaos" erschein ursprünglich 1971 als zweites Album von Popol Vuh. Die elektronischen Spielereien von Florian Fricke am Moog Synthesizer wirken hier wesentlich substanzieller und etwas weniger abgehoben, als ein Jahr zuvor auf dem noch sehr experimentell angelegten Frühwerk "Affenstude". Dennoch schwebt über diesem Album weiterhin der Pioniergeist früher Elektronikmusik, bei dem noch nicht alles in letzter Konsequenz ausgereift, manches einfach etwas beliebig und willkürlich wirkt. Interessant ist vor allem die Verschmelzung von Naturgeräuschen, elektronischen Spielereien, mit percussiven Elementen, welches für ein gewisses Früh-World-Music Flair sorgt. Feine E-Pianolinien bringen hypnotischen Stimmungen ein, während die Kirchenorgel im zweiten Track "Vuh" für die sakrale Note sorgt. Als Bonusmaterial sind zwei Moogtracks aus den Jahren 1970/71 enthalten, die jedoch mehr als technische Spielereien, denn als gehaltvolle Kompositionen einen Eindruck hinterlassen. Ab dem dritten Album "Hosianna Mantra" begann Florian Fricke mit einer teilweisen Hinwendung zu religiösen Themen. Sowohl "Hosianna Mantra", als auch der Nachfolger "Seligpreisung" beziehen sich auf biblische Themen. Dies spiegelte sich ebenfalls in der Umbesetzung der Band Popol Vuh wieder, die außer Fricke, gänzlich auf neue Musiker zurückgreift. So wird der elektronische Tastenüberhang komplett zurückgefahren, hört man nun Klavier, Cembalo und E-Gitarre, sowie zur Ergänzung klassische Elemente, repräsentiert durch Oboe, Violine und Soprangesang, letzterer jedoch eingesetzt wie ein weiteres Instrument. Dementsprechend sakral, schwebend, aber auch zurückhaltend lyrisch friedvoll klingen die Kompositionen, wie ein stiller, meditativer Fluss voll stetiger, Harmonie, ohne jedoch in das bedeutungslose Nichts manches New Age Albums abzugleiten. "Seligpreisung", welches als Thema die Bergpredigt aufgreift, setzt konsequent die sakrale Linie des Vorgängers "Hosianna Mantra" fort, ist aber zu Beginn wesentlich rockmusikalischer ausgerichtet, da hier Rhythmus und vor allem E-Gitarrenspiel eine deutlich prägendere Rolle einnehmen. Gerade dadurch ist "Seligpreisung" in den ersten beiden Titeln wesentlich lebendiger, "weltlicher" ausgerichtet, hat dieses Werk nicht nur eine besinnliche Grundstimmung, sondern lebt und atmet. Doch spätestens ab Titel 3 "Selig sind, die hier weinen" beginnt wieder die Rückbesinnung auf elegisches, zurückgenommenes, sehr besinnliches Spiel, was "Seligpreisung" wieder in sakralere, recht relaxte Regionen führt. Eine weitere Zusammenarbeit mit Werner Herzog war der Soundtrack zu "Nosferatu", wobei der Regisseur mit der Frage "Florian, hast du Musik zum Fürchten?" kurz vor dem Ende des Films zu Florian Fricke kam. Aus dessen Aufbewahrungskiste "Angstmusik" wurden entsprechende Titel ausgewählt, die der Stimmung dieses legendären Horrorfilms mit Klaus Kinski und Isabelle Adjani entsprachen. Dementsprechend weitläufig, cineastisch und weitgehendst sparsam instrumentiert sind auch die Aufnahmen, wobei diese Neuauflage zum ersten mal mehr als 20 Minuten zusätzliche Musik aus dem Original Soundtrack enthält. Dennoch ist die Grundstimmung nicht nur düster, sondern auch lebensbejahende, geradezu fröhliche Momente schleichen sich ein, findet sich Platz für hypnotische, indisch angehauchte Klangmalerei. Das bereits aus den frühen 80ern stammende "Agape-Agape Love-Love" gibt sich sehr weltmusikalisch offen, werden hier doch Einflüsse aus verschiedenen Kulturkreisen zusammen verarbeitet, im Presszettel fällt das Wort "Cosmic Space-Rock". Vom Grundcharakter wirkt dieses Album deutlich psychedelischer, klanglich verschwommener, vor allem auch dadurch, dass dieses mal Popol Vuh auf zwei Gitarristen zurückgreifen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004