CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)
Popol Vuh - Affenstunde
(50:17, SPV, 1970)
Popol Vuh - Einsjäger & Siebenjäger
(43:55, SPV, 1974)
Popol Vuh - Aguirre
(43:47, SPV, 1976)
Anfang Mai erschienen die ersten vier von insgesamt 19 Popol Vuh Alben. Wiederveröffentlicht von SPV im Digi-Pack, versehen mit ausführlichen Liner Notes (okay, wenn man meckern möchte: teilweise gibt es bei den Bemerkungen verschiedener Wegbegleiter wie z.B. Werner Herzog oder Klaus Schulze in den Booklets Überschneidungen, passen nicht alle Bilder zum jeweiligen Album, da man bei "Aguirre" ebenfalls Bilder von "Fitzcaraldo" und "Nosferatu" wiederfindet) und zum Teil mit Bonustracks bestückt. Florian Fricke, federführender Ideengeber hinter Popol Vuh, der leider viel zu früh am 29.12.2001 im Alter von 57 Jahren verstarb, hinterlässt mit seiner umfangreichen Diskographie Pionierarbeiten in den Bereichen elektronische Musik, Filmmusik als eigenständige Kunstform, wie er auch als Vorreiter für die Bereiche Weltmusik, Ambient und Trance galt. "Affenstunde" von 1970 wurde vor seiner Veröffentlichung als versponnene Spielerei belächelt, gehörte aber zu den frühesten Werken im Bereich Krautrock / Elektronik und war das erste Album, auf dem der Moog Synthesizer eingesetzt wurde. Das komplette Album ist geprägt von kaskadenartig aufgebaute Klangmalereien, die scheinbar strukturlos und ohne rechte Ziel im Raum verhallen. Rhythmus kommt wenig bis gar nicht vor, allein raumgreifende Elektroniksounds schaffen hier meditative, fast schon schamanenartige Welten von einer seltsam abstrakter Faszination. Bisweilen zirpt und quietsch es auch ganz aufgeregt, was die Elektronen eben so hergeben. Ein sicherlich ambitioniertes Frühwerk der elektronischen Spielereien, leider fehlt es jedoch noch an etwas mehr wirklich greifbaren Gehalt. Als Trio und auch musikalisch völlig gewandelt, ist das von 1974 stammende "Einsjäger & Siebenjäger" bester, orientalisch angehauchter Krautrock, bei dem die Keyboards fast völlig in den Hintergrund gedrängt sind, dafür übernimmt Gitarrist Daniel Fischelscher mit flirrenden, psychedelischem Spiel die Führungsrolle. Umso erstaunlicher, da ein Großteil der Kompositionen dennoch von Fricke stammt. Vor allem im über 19-minütigen Titelsong bricht man zu einer wunderbar krautigen Reise voll verträumter, lyrischer Momente auf. Besonders die vielen akustischen Momente, das Gespür für fragile Melodien überzeugen und machen "Einsjäger & Siebenjäger" zu einem wunderbaren Hörerlebnis. "Aguirre" war die erste Zusammenarbeit von Popul Vuh mit dem Regisseur Werner Herzog, dem anschließend noch weitere folgen sollten (u.a. "Nosferatu", "Fitzcaraldo" oder "Cobra Verde"). Das geniale an diesem Soundtrack ist, dass er auch ohne den Film funktioniert und eine einzigartige Stimmung erzeugt. Die Musik ist oftmals von Soundteppichen bzw. sanfter Gitarrenmusik geprägt, jedoch sind die elektronischen Klangreisen, im Gegensatz zum Debüt, um einiges strukturierter und stimmiger. Die Stimmungstiefe reicht von bedrohlich bis hin zu friedvollen Momenten. Mal sind es hymnische Tastenklänge mit Choreffekten oder akustische Saitenarbeit, die hier für stimmungsvolle Atmosphäre sorgen. Zwar sanft und verspielt gehalten, wirken vor allem die Klangflächen unheimlich raumgreifend und sind von fast schon endloswirkender Weite. Passend zu den Örtlichkeiten des Films treten kurzzeitig auch einige südamerikanische Klänge in der Vordergrund. Kurz und gut: ein wunderbares Werk. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass ebenfalls das 96er Spätwerk "Shepherd's symphony" sich ebenfalls unter den ersten vier Wiederveröffentlichung befand. Stilistisch geht es hier mehr in den modernen Ambient und Trancebereich.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004