CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Le Orme - L'infinito
(45:00, Crisler, 2004)

Während die anderen beiden großen Bands des Italo Prog - Banco und P.F.M. - zwar mit hervorragenden Livealben nicht geizen, sich aber dafür bezüglich neuem Studiomaterial eher zurückhaltend zeigen, legen Le Orme in relativ kurzer Zeit mit "L'infinito, gerade mal drei Jahre nach "Elementi", wiederum ein wunderbares Album in bester, sinfonischer Italo Prog Tradition vor. "L'infinito" ist in jeglicher Hinsicht eine Fortsetzung des Vorgängers. Das fängt beim optischen Eindruck ein, denn beim Artwork wurde wiederum auf Paul Whitehead zurückgegriffen, der schon in den 70ern z.B. die Genesisalben "Foxtrot" und "Nursery cryme" verschönerte und geht natürlich weiter bei der Musik. Inhaltlich präsentieren die Italiener ein zwölfteiliges Konzeptwerk bestehend aus Gesangs- und einigen Instrumentaltitel, welches sich eindeutig auf die 70er und die sinfonische Vergangenheit von Le Orme beruft. Bereits beim Intro "Il tuone e la luce" erklingt nach wenigen Momenten gewohnter Mellotronsound, später ist es vor allem jede Menge Orgel- und Klavierbegleitung, aber auch sorgvoll eingesetzte Synthiesounds, die den Unterbau für harmonisch verschmolzene Sinfonik und Melodik liefern. Natürlich darf auch etwas Sitar nicht fehlen, von Bandleader, Sänger, Bassist und Hauptsongschreiber und Texter Aldo Tagliapietra sehr harmonisch in "La ruota del cielo" eingebaut. Klassischen Anstrich bekommen die weichen, immer harmonischen Arrangements durch die Ergänzung eines kammermusikalischen Quartetts verpasst, wobei die Gratwanderung nahe am Schmalz, Banalität und Kitsch meistens noch gut geht, da die Italiener für diese Auslegung über das richtige Gefühl des geraden noch vertretbaren verfügen. Dafür setzt ein expressives Geigensolo bei "Si pui' immaginare" einen ganz neuen, frischen Akzent, der der Musik von Le Orme hörbar gut tut. Einziges Manko bei diesem Album: nach furiosen Beginn, geht im zweiten Teil des Albums etwas der Dampf verloren, verliert sich die Band teils in spartanischen Arrangements, die zu langatmig und inhaltlich zu flach geraten sind, wobei aber der bombastische Schlusspart wieder versöhnt. Dennoch ist "L'infinito" ein prächtiges, ausladende gestaltetes Sinfonikalbum mediterraner Prägung, dass einen hörtechnisch in wärmere, emotionalere Regionen entführt.

Kristian Selm



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