CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)

Karmakanic - Wheel of life
(65:38, Regain Records, 2004)

"Entering the Spectra" von Karmakanic, dem Projekt des Flower Kings Bassisten Jonas Reingold, sorgte vor rund 1½ Jahren für eine weitere gelungene Scheibe aus dem Flower Kings Umfeld. Reingold und seine Mitmusiker beackerten auf dem Debüt eindrucks- und wirkungsvoll das weite Spektrum von Progressive und Jazz Rock, griffen dabei ebenfalls auf einige Hard Rock und Metal Einflüsse zurück. Vor allem lebte das Album aber von seinen improvisativen Momenten, von der spannungsgeladenen Interaktion der beteiligten Musiker. "Wheel of life", das zweite Album mit leicht veränderter Mannschaft, knüpft genau dort an und führt dieses Konzept genauso konsequent, vielleicht noch sogar eine Spur wirkungsvoller, mitreißend spielfreudiger und stilistisch offener fort. Wiederum ist ein Teil der Flower Kings Mannschaft von der Partie (Zoltan Czörsz am Schlagzeug gehört zum festen Karmakanic Kern, während Roine Stolt und Tomas Bodin Gastauftritte haben), doch ebenso greift Reingold auf seine Kollegen aus dem Metal / Hard Rock Umfeld zurück, allen voran der ehemals bei Yngwie Malmsteen tätige Goran Edman, der jedoch, wie bereits beim Vorgänger, nicht ständig nur im Vordergrund seine ausgezeichneten stimmliche Qualitäten beweisen darf. Im Gegensatz zum Erstlingswerk wurde der Härtegrad zugunsten wesentlich umfassender Stilistik zurückgefahren. Gitarrengebratze ist nur noch selten zu vernehmen - aber keine Angst, die Schweden lassen es stellenweise immer noch ganz schön heftig krachen - an dessen Stelle tritt eher differenzierte Saitenbearbeitung, sinfonisch komplexe, wie auch jazz-rockige Parts. Erstaunlich dabei, wie nahe Karmakanic in manchen Passagen an den aktuellen Flower Kings angelegt sind. Es handelt sich keineswegs um Plagiat, jedoch merkt man recht deutlich, inwieweit sich beide Projekte bzw. Musiker sich gegenseitig befruchten. Da sich hier vor allem in ausgiebigen Instrumentalpassagen die Musiker regelrecht austoben und diese bekanntermaßen spieltechnisch wirklich einiges auf dem Kasten haben, aber dennoch im Hinterkopf rockige Grundgedanken für erdige Bodenständigkeit sorgen, verkommen die Soloorgien niemals zu seelenloser Frickelei, immer wieder finden die Instrumentalisten zurück zu Melodie und einfacheren Strukturen. Das Spiel aus verfrickelten Parts und bombastischer, harmonieverliebter Melodik, macht "Wheel of life" zu einer weit weniger anstrengender, richtig luftiger Angelegenheit, als manch rein auf spieltechnischen Witz der Musiker angelegtes Jazz Rock bzw. All Star Projekt. "Wheel of life" wird somit vor allem bei den Fans der Flower Kings, sofern ein Hang zu etwas mehr Jazz Rock, Instrumentalmusik und vertretbarer Härte vorhanden ist, auf breite Begeisterung stoßen, die aufgeschlossenen Grenzgänger aus dem Hard und Heavy Genre werden hier ebenfalls bedient. Eine völlig gerechtfertigte Platzierung in den oberen Rängen der Jahrescharts dürfte damit keinerlei Problem sein. Da zudem in Aussicht gestellt wurde, dass Karmakanic planen zu touren, wird man hoffentlich auch bald in den Livegenuss dieses Projektes kommen. Und wer die Rhythmustruppe der Flower Kings (Reingold - Csörsz) kennt, der weiß, dass sie keinesfalls nur das aufgenommene Material 1:1 zu reproduzieren, sondern immer Raum für Improvisationen bleibt.

Kristian Selm



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