CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Sarax - 570.Kythera
(41:17, Mylodon Records, 2004)
"570.Kythera", das dritte Werk der Chilenen Sarax, ist ebenso ungewöhnlich und unvorhersehbar wie der Vorgänger "Ejecucion" von 2001. Sarax sind Velasco (dr, key, p, seq, voc), Cifuentes (b, g, seq, key, voc), Figueroa (g) und Larenas (g). Das Quartett spielt einen gothic-beeinflussten Alternative-/ Progressive-Rock mit deutlich avantgardistischem Hang. Da wechseln die Stimmungen rapide, brachial-metallische Ausgebilde brechen aus seltsam komisch-plärrigen Motiven hervor, rast die Band plötzlich los, wo sie eben noch verhalten-düster vor sich hin schepperte. Sarax gehen stets eher heavy und brutal zur Sache, bauen aber breitflächig düster-atmosphärische Details ein. So scheint "570.Kythera" der ultimative Soundtrack zur Verfilmung des Lebens eines Vampirs zu sein: dunkel die Atmosphäre, einsam und versteckt das Leben. Erstaunlich, woher holt die Band nur diese Inspiration? Die harsche Sprache der Gitarren arbeitet gegen die verhallten Piano- / Keyboardtöne an, Flüsterstimmen graben unterschwellig durch den Song, kraftvolle Rhythmusmuster bauen Spannung, "Glorioïs prayer" ist die chilenische Antwort auf Tiamat, nur dass sie viel King Crimson inhaliert hat und die Düsternis geheimnisvoller und grandioser zum Tragen kommt. Überhaupt ist die komplette Veröffentlichung geheimnisvoll, zum einen sind nur die Nachnamen der Musiker angegeben, das Booklet gibt eine spannend-undurchsichtige Geschichte wieder und die farbliche Gestaltung des Heftchens wirkt kühl, als verberge es etwas Unheimliches, das sich unbemerkt verbreitet, wenn man die CD-Hülle öffnet. Zum anderen sind die Informationen insgesamt spärlich, alle Angaben nüchtern und seltsam unvollständig. "Kythera" ist für Sarax, was Kobaia für Magma ist, ein Planet mit neuen Chancen. Schon der Vorgänger "Ejecucion" baute diese Story aus, "570.Kythera" vertieft die Idee. Sarax machen die Mitfahrt nicht leicht, ihre Musik ist nicht anheimelnd oder nett, sondern kühl, hart und brachial. Einige Jazzeinlagen harmonisieren das Geschehen, ohne allerdings eine wirkliche Wende zur Harmonie zu schaffen, so webt sich eine helle, warme Notiz ins düstere Geflecht. Sarax sind unvergleichlich, ihre Songs komplex, ohne aber die sonstigen typischen progressiven Merkmale aufzuweisen. Diese Eigenart fasziniert ungemein, wenn man sich denn nicht von der kühlen Präsentation abschrecken lässt. Wer spannende Musik und sich in neue Welten vertiefen mag, wird "570.Kythera" erobern können. Bekannte Hörgewohnheiten werden hier nicht bedient. Interessante Scheibe!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004