CD Kritik Progressive Newsletter Nr.48 (04/2004)
Big Big Train - Gathering speed
(55:43, Privatpressung, 2004)
Anfang der 90er genügte es im Progbereich bereits wenn man mit bekannten Gastmusikern aufwarten konnte, um damit die entsprechende Aufmerksamkeit zu erreichen. Das Angebot waren eben nicht so breit gefächert und man war froh um jede Neuerscheinung. So werkelte IQ's Martin Orford beim Big Big Train Debüt "Goodbye to the age of steam" mit und steuerte ein paar Flötentöne bei. Doch ist dies mittlerweile mehr als 10 Jahre her, inzwischen wird der Hunger an neuem Progfutter durch eine erheblich breitere Palette abgedeckt, so dass auch für Big Big Train schwieriger geworden ist, aus der Masse herauszutreten. "Gathering speed" - ein Konzeptalbum über einen abgeschossenen Kampfpiloten im zweiten Weltkrieg - ist die mittlerweile vierte Produktion von Big Big Train, denen es mit diesem Album zweifellos gelungen ist, ihre eigene Identität noch mehr herauszuarbeiten. Fehlte den ersten beiden Alben manches mal die letzte Kraft, hatte aber bereits der 2002er Output "Bard" manch schöne Verbindung aus melancholischem Rock und progressiven Zitaten, so findet die stimmige Verbindung auf "Gathering speed" ihre weitere, gelungene Fortsetzung. Manches mal scheinen noch neo-progressive Wurzeln durch, sind die gelegentlichen, weitausholenden Instrumentalparts von frühen Genesis und Camel inspiriert, meistens geht es jedoch hinein in den getragenen, melodiebetonten, aktuellen Rockbereich. Besonders akustische Gitarrenparts, sachte Keyboardbegleitung (u.a. mit jeder Menge Mellotron) und sinfonische Getragenheit setzt die Band äußerst gekonnt und geschmackvoll in Szene. Big Big Train berufen sich vor allem auf zurückgenommene Arrangements, setzten sehr viel auf Stimmung und Atmosphäre, die aber dennoch nicht langweilt, sondern in sich stimmig ruht, mit gelegentlicher Tempoverschärfung wohl durchdacht angereichert ist. So sollte sich "Gathering speed", ganz ohne namhafte Hilfe, seinen eigenen Position im Bereich des harmonie- und melodiebetonten Rock / Progressive Rock festigen - ein schönes, angenehm anhörbares, qualitativ ausgewogenes Album.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004