CD Kritik Progressive Newsletter Nr.46 (10/2003)

FSB - Non stop
(33:10, UBP, 1977)
FSB - FSB II
(33:24, UBP, 1978)
FSB - I love you up there
(41:49, UBP, 1987)
FSB - Single collection
(71:44, UBP, 2003)

Von wegen die Grufties treiben sich nur im Dunkeln herum. Auch der gemeine Proggie versteckt sich gerne beim kollektiven, in unregelmäßigen Abständen stattfindenden CD Anhören in schlecht belüfteten, dunklen Räumen, regelrecht abgeschottet von der Außenwelt, aber natürlich ausgestattet mit einem hervorragenden Hi-Fi Equipment. Wer braucht schließlich eine richtige Wohnungseinrichtung bzw. kann sich diese überhaupt noch leisten, wenn das gesamte Ersparte für exotische CDs und das adäquate Abspielen dieser draufgeht? Tja, und wenn man schon so gemütlich in gesundheitsgefährdender Lautstärke und bei Wein und Schokolade (typisches Proggiefutter eben!) zusammenhockt, dann muss man eben auch mit den neuesten Errungenschaften prahlen. So landete gegen vorgerückter Stunde eben auch eine CD von FSB namens "Non stop" im Player. FSB, noch nie gehört? So ging es allen Anwesenden, trotz erheblichem Kenntnis aller möglichen und unmöglichen Bands, aber schließlich klang die Beschreibung bei einem japanischen(!) CD Versender so äußerst interessant und so ziemlich alles, was in den 70ern aufgenommen wurde, muss ja allein schon wegen dem Nostalgiefaktor und bei FSB auch aufgrund der ansprechenden Instrumentensammlung (u.a. Moog, Mellotron, Hammond, Harpsichord, Saxophon) gut sein. Viel kyrillisches Gekrakel auf dem Cover, also eine Band aus dem ehemaligen Sowjetreich? Mitnichten, denn auch in Bulgarien mag man eben gerne etwas anders als im Rest von Europa schreiben. Und da ja die progressive Szene in Bulgarien, ganz im Gegensatz zum restlichen Osteuropa, wohl eher als "nicht existent" durchgeht, war man natürlich gespannt, was da nun aus den Boxen schallen würde. Der erste Titel nannte sich "Dynamic" (netterweise gibt es auf dem Cover auch englische Beschreibungen) und beeindruckte gleich mit richtig prächtigem 70er Prog Rock und leichtem südamerikanischen Touch, grob dem Stil der polnischen SBB angelehnt. Aber großer Aufschrei: "Hey das ist doch komplett geklaut!" Kurzes Kramen in den Gehirnwindungen. Richtig, klingt irgendwie schwer verdächtig nach dem Beginn von Patrick Moraz Soloalbum "Story of I", abgesehen dass hier bulgarisch statt englisch gesungen wird. Zweiter Titel. Schon beim Namen "Power and the glory" hätte es 'Klick' machen müssen. "Hey, das ist doch schon wieder geklaut!". Aber klar, das stammt doch eindeutig von Gentle Giant. Um die weiteren Überraschungen abzukürzen: "Non stop" ist eine Sammlung mit drei Coverversion von Patrick Moraz "Story of I" Album (zum Teil mit ganz anderen Titelnamen!), drei Gentle Giant Stücken aus deren Mid 70er Phase, sowie zwei eigenen Titeln. Prächtig gespielt, bestens interpretiert und beim eigenen Material, wie schon erwähnt mit deutlichem SBB Flair, sprich Mischung aus Prog und Jazz Rock - alles im besten 70er Sound. Na ja, um ehrlich zu sein, die zweite Eigenkomposition "My town" hat bestenfalls gehobenes Grand Prix Niveau, auch wenn das Ende recht bombastisch geraten ist. Das 1978 veröffentlichte "II" verzichtet hingegen völlig auf Material von anderen Künstlern. Hier können nun FSB wirklich beweisen, was sie drauf haben. Nach dem sphärischen, nur mit Tasteninstrumenten gespielten "Wake up" (der Titel ist von der Stimmung programmatisch zu sehen), geht es mit dem treibenden "Morning" in den Grenzbereich zwischen Progressive und Jazz Rock. Saxophon und südamerikanischen Rhythmen / Percussion sorgen für eine spannende Ergänzung - hätte man nie und nimmer mit einer Band aus dem ehemaligen "Ostblock" in Verbindung gebracht. Das wiederum leicht schwebende "Thre" (soll wohl "Three" heißen) weckt Erinnerungen an die ruhige Seite von Happy The Man, der bulgarische Gesang und wunderbarer sinfonischer Prog Rock holt einen jedoch wieder nach Osteuropa zurück. Die restlichen fünf Titel setzen das Konzept der ersten Titel konsequent fort. Mal sphärischer und tastenbetonter (klar bei zwei Keyboardern in der Band), dann wieder mit leichtem Jazz Rock Einschlag (mit groovigen Breaks oder Flöte bzw. Saxophon) oder eben wunderbar sinfonisch, geht es hier äußerst unterhaltsam zurück in die Vergangenheit. Es gibt zwar ebenfalls etwas "leichteres" Material zu überstehen, aber die Grundrichtung ist noch okay. Nach etwas Recherche, noch einige Fakten zu FSB (Formation Studio Balkanton): die Formation entwickelte sich in der Heimat zu einer der, wenn nicht der größten Band überhaupt. Neben ihrem spielerischen Können und der sorgfältigen Auswahl ihres Instrumentariums, entwickelten sie auf der Bühne aufwendige Licht- und Lasershows, was ihnen letztendlich auch Auftritte im westlichen Ausland bescherte. Leider entwickelten sie sich musikalisch vom ursprünglichen Progressive Rock im weiter weg, hin zu "einfacheren" Rock bzw. AOR. Als Studiomusiker erarbeiteten sie sich dafür international einen ausgezeichneten Ruf und heimsten 1990 als bisher einzige bulgarische Musiker, einen "Grammy" für das Arrangement und die Komposition von Jose Feliciano's Hit "Selito Lindo" ein. Zum guten Abschluss noch zwei CDs von FSB jüngeren Datums, die leider dokumentieren, dass sich die Band nicht unbedingt zu ihren musikalischen Vorteil weiterentwickelte. Mit dem 1987 veröffentlichten "I love you up to here" sind FSB in der Neuzeit angekommen. Ein Blick auf die Rückseite des Covers mit gestylten Föhnfrisuren und peinlichem 80er Look verheißt nichts Gutes, wobei es glücklicherweise dann doch nicht ganz zu Dicke kommt. Die progressiven, sinfonischen Strukturen sind fast völlig verschwunden, es hat sich eher glattgebügelter Kunst-Pop-Rock im typisch klebrigen 80er Sound durchgesetzt. Nicht wirklich schlecht und mit einigen interessanten Details versehen, aber irgendwie profillos, klanglich zu synthetisch und steril dem Zeitgeist angepasst. Dass es bei FSB aber selbst in frühen Jahren ein krassen Gegensatz zwischen ihren Alben und Singles gab, dies bekommt man leider zuhauf auf "Single collection" vorgeführt. Neben dem recht dünnen Material aus den 80erm und 90ern, erreicht ein Teil der diversen Singles aus dem Jahr 1975 leider ebenfalls bestenfalls gehobenes Schlager- / Grand Prix Niveau. Immerhin gibt's als kleine Entschädigung zwei Coverversionen von P.F.M.'s "E' festa", sowie "Impressione di Septembre" (mit bulgarischem Text!), dazu mit "Vera" eine funkig-groovende Jazz Rock Nummer. In einigen, wenigen Momenten blitzt bei den anderen Songs zwar eine Hauch von Genialität durch, über die die Band zweifelsohne verfügt, aber ansonsten ist dieses Album vielleicht gut für einen Nostalgieveranstaltung, richtig brauchen tut es aber eigentlich niemand. Während "Non stop" hauptsächlich etwas für den Sammler von sehr guten Coverversionen mit eigenem Ansatz ist, zeigt sich auf "II" das eigentliche Gesicht von FSB. Schade nur, dass die Band später ihrem Stil später verwässerte und dummerweise die ersten beiden Alben in ihrer Spielzeit recht kurz geraten sind. Ansonsten gilt für "Non Stopp" und "II" ohne Einschränkung: lohnenswerte Entdeckung von typischen 70er Prog, der sich keineswegs vor den anderen Bands aus Osteuropa verstecken braucht. Eine echte Empfehlung! Von den anderen Alben aber lieber die Finger weg!

Kristian Selm



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