CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)
Tenhi - Väre
(57:45, Prophecy Productions, 2002)
Musik aus Skandinavien - da zaubert man doch gleich mal präventiv die Adjektive melancholisch und atmosphärisch aus dem Ärmel. Schon ein rechter Blödsinn einfach auf die üblichen Verdächtigungen zu vertrauen, doch Tenhi enttäuschen den Kritiker keineswegs und sorgen für einen absoluten Volltreffer bei der Vorbeurteilung. Okay, mit einer gewissen Vorbelastung, den beiden Vorgängern "Kauan" und "aircut:ciwi" im Hinterkopf, wird das Raten selbstverständlich erheblich vereinfacht. "Väre" ist die konsequente Fortsetzung des Weges, den Tenhi auf dem letzten Longplayer "Kauan" vor mehr als drei Jahren eingeschlagen haben. Dabei setzt die finnische Band jedoch nicht einfach ihre eigene Erfolgsformel in einer Mischung aus nordischer Folklore, Einflüssen aus akustischem Progressive Rock und stimmungsvollen Gothic Elementen fort, sondern "Väre" ist zudem von neuen Elementen durchzogen, die den traurigen Klängen neue Aspekte verleihen. Besonders der schamanenartige, fast schon sakral wirkende Gesang von Tyko Saarikko wurde zu einem integralen Bestandteil ausgeweitet, insgesamt wirken die getragenen Songs noch schwermütiger, noch trauriger. Ein weiterer Grund für die stimmungsvolle Tristesse liegt in der Aussparung der elektrische Komponente begründet, lediglich akustische Instrumente (u.a. auch Flöte und Violine) und zurückgenommener Rhythmus hinterlassen effektiv eingesetzt ihre Duftmarken. Dennoch verstehen es Tenhi immer wieder aus der durchgehende Ruhe auszubrechen, mit mehr Schwung und verschärften Tempo ihr Album wohltuend aufzulockern und auf Fahrt zu bringen. Als Vergleich kann von der instrumentalen Seite vor allem die akustische Seite von White Willow herangezogen werden, nur dass bei Tenhi stimmlich gutturales Gemurmel ähnlich wie bei Ole Lukkoye, statt glockenheller Gesang zu vernehmen ist. "Väre" spricht zwar hauptsächlich die Berufsmelancholiker für Klänge aus dem hohen Norden an, dennoch lösen die atmosphärischen Launen keineswegs nur anhaltende Depressionen aus. Ruhig mal antesten.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003