CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)

Anyone's Daughter - Requested Document Live 1980-1983 Vol.2
(75:40 + ca.2h DVD, Tempus Fugit, 2003)

Vor rund 1½ Jahren erschien der erste Teil der umfangreichen Live Retrospektive aus den Archiven von Anyone's Daughter. War die damalige Doppel CD zu gleichen Teilen in die englisch- und deutschsprachige Phase aufgeteilt und wartete mehr oder weniger mit den "Hits" der Band auf, so enthält Vol.2 u.a. jede Menge bisher unveröffentlichtes Material, wie auch ein, bis auf einen aus technischen Gründen fehlenden ersten Titel, komplettes Konzert auf DVD. Die Live CD bietet Songs aus allen Schaffensperioden der Band, die, bis auf eine Überschneidung (eine Frühversion von "Anyone's Daughter"), auf Vol.1 keinen Platz mehr fanden. Neben 5 Songs vom mehr poppigen, kommerziellen, bereits von der aufkeimenden NDW-Welle beeinflussten "Neue Sterne" Album, ist jedoch das wahre Highlight, das auf keinem Studioalbum vertretene Material. Allen voran sticht dabei "Schwärzer als die Nacht" heraus, wobei es sich bei diesem Titel um nichts anderes als eine deutschsprachige Coverversion des U.K. Klassikers "In the dead of night" handelt. Zwar sehr nahe am Original orientiert, doch deutscher Text und ein völlig anderes Gitarrensolo geben dem Stück typisches Anyone's Daughter Flair. Hinzu kommen noch die Instrumentaltitel "Stampede" (mit leichten Southern Rock Einfluss) und "Pegasus" (recht jazz-rockig), letzteres außerdem um ein Schlagzeugsolo ergänzt. Weiterhin eine alternative Version des bereits auf dem regulären Livealbum "Live" vertretene Quasi-Bass-Solo "Land's end". "Sundance of the Haute Provence", "Another day like superman" vom titellosen zweiten Album, sowie "Nach diesem Tag" vom "In Blau" Album runden die CD perfekt ab. Die wirkliche Sensation dieser Veröffentlichung ist jedoch die DVD. Es handelt sich vermutlich um die einzigen bewegten Bilder, die von Anyone's Daughter aus dieser Zeit erhältlich sind. Da es sich um ein Konzert in Frankfurt, also außerhalb des südwestdeutschen Raumes handelt, ist auch die Setlist hochgradig interessant und repräsentativ, da mit "Piktors Verwandlungen", "Adonis Part I-IV", sowie "Der Tod des Kaisers" (Frühversion von "Tanz und Tod", später auf "In Blau") alle drei legendären Longtracks vertreten sind. Eine knapp zweistündige Zeitreise, die es, trotz Einbussen bzw. Abstrichen beim Klang und im Bild, wirklich in sich hat, auch wenn die Ansagen aus heutiger Sicht etwas eigenartig wirken, aber den damaligen Zeitgeist eben wiederspiegeln. In Japan ist man übrigens ganz scharf auf die DVD, die für ein kleines Label wie Tempus Fugit wirklich beeindruckende Bestellung von 1000 Stück kam letztens beim Label an. Einzige Bedingung: die DVD muss in die dort gängige NTSC Norm umgewandelt werden. Wird natürlich sofort erledigt, damit man sich auch im Land der aufgehenden Sonne an den historisch einzigartigen Anyone's Daughter Filmaufnahmen erfreuen kann. "Requested Document Live Vol.2" ist zwar vor allem ein Veröffentlichung für die Hardcore Fans, da objektiv betrachtet "Vol.1" den besseren musikalischen Inhalt abliefert. Jedoch wird diese Aussage durch die DVD wieder relativiert. Deswegen: wer auf sinfonischen Progressive Rock steht und bei einigen poppigen Momente auf der CD die Augen zudrücken kann, der sollte hier zugreifen. Zum Abschluss noch eine weniger erbauliche Nachricht: die Rechte der ersten vier Originalalben schlummern inzwischen bei EMI bzw. Universal in den Schränken, wobei es dort momentan keinerlei Gedanken über Wiederveröffentlichungen gibt.

Kristian Selm



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