CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)
Citizen Cain - Playing dead
(70:48, Pig In A Poke Records, 2002)
Irgendein "netter" Postbeamte auf dem Weg zwischen Schottland und Deutschland scheint ein großer Citizen Cain (die zwischenzeitlich mal Xitizen Cain hießen) Fan zu sein. Wie kann es denn wohl sonst sein, dass eine Sendung völlig spurlos auf dem Postweg verschwindet? Glücklicherweise erwies sich Keyboarder Stewart Bell als äußerst kulant (was wohl endgültig dem Klischee widerspricht, dass Schotten geizig sind) und schickte noch eine zweite Promo CD auf den gefährlichen Weg quer über den Ärmelkanal, die überraschenderweise dieses mal nicht einkassiert wurde. Wahrscheinlich hatte der Beamte gerade Urlaub... Sechs Jahre sind seit dem letzten Output "Raising the stones" vergangen, vier Jahre benötigte die Band für die Fertigstellung von "Playing dead". Dennoch haben sich oberflächlich betrachtet, nur Nuancen bei Citizen Cain verändert, beim genauen Graben stößt man jedoch auf wesentlich mehr. Neben Stewart Bell und Cyrus (Gesang, Bass), ist inzwischen mit Phil Allen wieder ein hauptberuflicher Gitarrist an Bord, womit der Keyboardüberhang des letzten Albums nun einen wesentlich größeren Gitarrenpart entgegengesetzt bekommt. Musikalisch ist das Trio dieses mal wieder etwas mehr im verspielten, Genesis-beeinflussten Prog verwurzelt, zusätzlich wurde aber die komplexere, düstere Grundausrichtung des letzten Albums beibehalten. Im Gegensatz zu früheren Alben, servieren einem die Schotten dieses mal nicht nur epische Longsongs, mit 9 Titeln greifen sie auch auf kompakteres, konzentrierteres Material zurück. Neben großflächig angelegten Instrumentalparts ist vor allem Sänger Cyrus, der mit seiner prägnanten Stimmlage, die sehr an Peter Gabriel erinnert, den nachdrücklichsten Eindruck hinterlässt. Abstriche gibt es zum Teil im Sound und der inneren Geschlossenheit zu verschmerzen. So wirkt das elektronische Getrommel zu steril, die komplexen Songfragmente führen nicht immer unbedingt nachvollziehbar zu einem Ziel. Gerade von den inneren Strukturen ist "Playing dead" das wahrscheinlich am meisten verschachtelte, das am wenigsten zugänglichste Werk der Bandgeschichte - Komplexität, für die man Zeit benötigt, ist absoluter Trumpf. Die Musik bewahrt mit ihrem spröden, manchmal abweisenden Charme dafür ihre ganze eigene Note und ist weit davon entfernt als simple Einheitskost durchzugehen - absolut mutig und ansprechend.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2003