CD Kritik Progressive Newsletter Nr.44 (06/2003)

Carptree - Superhero
(61:15, Fosfor Creation, 2003)

Für ihr titelloses Debüt erdachte sich das schwedische Duo Carptree alias Niclas Flinck (Gesang) und Carls Westholm (Keyboards) den Begriff Artpop. Dies bedeutete beim ersten Gehversuch eine stilistische Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart mit nicht immer auf den ersten Blick offensichtlichen Progressive Rock Zitaten, aber vor allem jeder Menge wunderbarer Melodien mit federndem Pop Appeal. "Superhero", welches mit jeder Menge Gastmusiker inhaltlich gestaltet wurde, nimmt diese Gedanken vom Grundsatz her auf, verfolgt aber eine vollständig andere Richtung. Erneut wurde alt und neu vermischt, jedoch ist die Stimmung über weite Strecken deutlich düsterer und trauriger. Hinzu kommen orchestrale Arrangements und Retrosounds, die nicht nur nach antiker Vergangenheit klingen, letztendlich aber für eine gewaltige inhaltliche Steigerung sorgen. Die direkten poppigen Momente mit Ohrwurmcharakter sind fast komplett verschwunden, treffliche, gnadenlos gute Melodien gibt es aber immer noch zuhauf, doch sind diese viel subtiler eingesetzt, dafür wurde der melancholische Progressive / Art Rock Ansatz viel deutlicher und offensichtlicher in den Vordergrund gestellt. Die detailverliebten Arrangements besitzen trotz keinerlei Überlänge cineastische Ausmaße, getragen von orchestralem, bisweilen richtig heftigen, härteren Bombast, der zum Teil Erinnerungen an die dunklen Werke von Devil Doll bzw. die expressiveren Passagen der frühen Genesis ins Gedächtnis ruft. Da zieht nur mal eine feine Klaviermelodie vorbei, untermalt von elektronischen Streichern oder die Spannung wird mit voller Power auf Breitwandsound gesteigert. Hier spiegelt sich inhaltlich eindeutig wieder, dass die beiden in der Vergangenheit in diversen Theater- und Studioproduktionen mitarbeiteten. Niclas Flinck erinnert zudem in einigen Passagen mit seiner Stimmlage, die von Flüstern, Sprechen bis hin zu emotionalen Ausbrüchen reicht, sowie diversen verfremdeten Effekten, an Peter Gabriels stimmliche Eskapaden zu Genesis Zeiten, was ebenfalls die progressive Grundausrichtung verstärkt. Dennoch ist "Superhero" kein reines Retroalbum, da sich immer wieder moderne Sounds wiederfinden, es ist trotz deutlich sinfonischer Ausrichtung, kein reines Progalbum, da dazu die Songs doch teilweise eine Spur zu 'einfach' strukturiert sind, was aber keinesfalls heißen soll, dass es sich hier um vorausschaubare Einheitskost handelt, denn die prägnanten, im Gedächtnis haften bleibenden Melodien machen gerade den besonderen Reiz dieses Albums aus. "Superhero" ist zugleich vertraut, aber dennoch anders und die Band hat absolut recht, wenn sie meint, dass man das Album erst dann voll erfasst, wenn man es komplett gehört hat. Hoffentlich bald mehr als nur ein Geheimtipp.

Kristian Selm



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