CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Longshot - Asylum
(75:38, Wake The Dead!, 2002)

"75 minutes of real Progrock", "The best project since 10 years in the Genesis family" - liest man die Kommentare auf der Homepage von Longshot über deren neues Werk "Asylum", so entsteht natürlich ein selbstgewählter, gewaltiger Erwartungsdruck, dem sich die Band nun stellen muss. Dies gilt sicherlich auch in der Rückbetrachtung und im Vergleich auf das vor rund fünf Jahren vorgelegte Debüt "The cosmic bacteria's experiences", welches insgesamt einen soliden, jedoch keineswegs überragenden Eindruck mit einigen Abstrichen, besonders im Bezug auf den Gesang, hinterließ. Um es gleich vorweg zu nehmen: "Asylum" ist in einiger Hinsicht anders, man findet jedoch ebenfalls Bekanntes wieder. Als erstes optisches Highlight fällt einem sofort das beeindruckende Fantasy-mäßige Artwork auf. Das Design von Thierry Guilleminot durchzieht das gesamte geschmackvoll gestaltete Booklet, womit die grafische, sehr farbenfrohe Umsetzung den Inhalt des Konzeptwerkes bestens unterstützt. Doch auch bei der Besetzung hat sich einiges getan. War das Debüt mehr ein Solowerk von Michael Reese, so bedient dieser beim Nachfolger lediglich die Keyboards, sorgt ebenfalls wieder für den Gesang, wird dafür aber noch von Ben Larson (Schlagzeug), Phil Wake (Gitarre) und Freddy Lynn (Bass) instrumental tatkräftig unterstützt. Insgesamt erweckt die Musik damit wesentlich mehr ein Band-Feeling, als die eines Soloprojektes und gerade die Hinzunahme von gleichberechtigten Musikern hat dem Album im Gesamteindruck gut getan. Musikalisch hingegen sind Longshot der musikalischen Schiene des Debüts mehr oder weniger treu geblieben. Stilistisch bewegt man sich im Bereich des soliden, melodischen Neo Prog, dafür wurden die Genesis Anleihen zugunsten eines eigenständigeren Klanges zurückgefahren. Leider gibt es immer noch ein paar Kritikpunkte, die bei "Asylum" für einige Abstriche sorgen. Die größte Schwäche ist der Gesang geblieben, dem es leider an Volumen und inhaltlicher Variation mangelt und auch im Treffen der Töne und Melodien nicht immer Souveränität ausstrahlt. Weiterhin geht auch einige mal im Gesamtsound die Transparenz der einzelnen Instrumente verloren, die zu matschig ineinander verschwimmen. Es sind dafür aber vor allem die Instrumentalparts, die durchaus mit mancher interessanter neo-progressiven Wendung aufwarten können und ebenfalls in den Soloteilen ansprechende Parts bieten. Doch insgesamt wirkt "Asylum" eine Spur zu hausbacken, lediglich ordentlich und solide, aber keineswegs überraschend, auch wenn dem Album auf jeden Fall eine Steigerung gegenüber dem Debüt zu attestieren ist. Um damit wieder zur Einleitung zurückzukommen: vielleicht war die eigene Vorgabe bzw. Messlatte zu hoch, der Erwartungsdruck überzogen. Nichtsdestotrotz dürfen die Fans aus der neo-progressiven Sparte durchaus mal ein Ohr riskieren.

Kristian Selm



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