CD Kritik Progressive Newsletter Nr.42 (12/2002)

Versus X - Live at the Spirit
(64:44, Privatpressung / Musea, 2002)

Das "Spirit of 66" in Verviers (Belgien) ist mittlerweile zu einer wahren Kultstätte für Prog Livekonzerte geworden. Ob bekannte oder unbekannte Bands, der rührige und engagierte Inhaber Francis Géron gehört zu jenen Idealisten, die fast jeder qualitativ ansprechenden Band eine Chance geben, bei ihm aufzutreten. So war es nur eine Frage der Zeit, bis auch endlich mal ein Livealbum direkt im Club aufgenommen wird, der besonders für seinen ausgewogenen und nicht zu lauten Livesound bekannt ist. Auf "Mind Volume 2" von Isildurs Bane gab es immerhin bereits kurze Soundschnipsel aus dem "Spirit" zu hören, Versus X machen nun den Anfang einer durchgehenden Liveaufnahme, mit einem über einstündigen Ausschnitt von ihrem am 7.Oktober letzten Jahres mitgeschnittenen Gigs in Belgien. Das Quartett aus dem Frankfurter Großraum ist bekannt dafür, sich nicht gerade mit kurzen Songs zu begnügen und so enthält auch "Live at the Spirit" lediglich vier Songs, verteilt auf die drei bisher erschienenen Studioalben. Umrahmt von Ansagen in englisch und französisch, so wie einem, wie fast immer, sehr enthusiastisch reagierenden Publikum, können die Longsongs auch in der Liveumsetzung überzeugen und dokumentieren die handwerkliche und kompositorische Klasse von Versus X. Sie spielen definitiv keine Musik, die man beim ersten Anhören in all seinen Nuancen sofort durchschaut, dafür sind die Titel einfach zu komplex und abwechslungsreich. Doch gehören Versus X zu jener Sorte von Bands, deren Musik man sich langsam erarbeiten muss, dafür aber keineswegs bzgl. des Zeitaufwands enttäuscht wird, man vielmehr seine Belohnung durch langanhaltenden Musikgenuss erfährt. Der Großteil des Materials bewegt sich im rein instrumentalen Bereich, wobei sich hier vor allem der hervorragende Keyboarder Ekkehard Nahm in den Vordergrund spielt, im Wechsel mit dem variationsreichen Stil von Gitarrist / Sänger Arne Schäfer. Doch auch die Rhythmustruppe Jörg Fischer (Bass) und Uwe Völlmar (Schlagzeug) legt mehr als nur ein solides Rhythmusgeflecht als Basis. Ob harte oder mehr lyrische Passagen, sinfonischer Bombast oder verschachtelte Passagen, Versus X bauen sich aus den verschiedensten Zugaben ihre eigene musikalische Welt zusammen, die dennoch homogen und eigenständig wirkt. Da es kein neues oder unveröffentlichtes Material zu hören gibt, ist "Live at the Spirit" vor allem ein Album für die Fans der Band, allen anderen seien ihre Studioalben wärmstens empfohlen.

Kristian Selm



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