CD Kritik Progressive Newsletter Nr.35 (05/2001)
Isildurs Bane - Mind Vol.2 Live
(77:31 + 77:24, Record Heaven, 2001)
Ganz schlicht und unspektakulär haben Isildurs Bane ihr aktuelles Album einfach nur "Mind Vol.2 Live" genannt. Doch dahinter verbirgt sich keineswegs nur eine simple Fortsetzung des vor rund vier Jahren erschienenen ersten Teils von "Mind Vol.1". Auch handelt es sich keineswegs nur um ein nett zusammengestelltes Livealbum - hinter dieser randvoll gepackten Doppel CD steckt wesentlich mehr: sowohl musikalisch, bis hin zu den Soundeffekten, als auch vom inhaltlichen Konzept, was sich vor allem in der aufwendig und liebvoll gestalteten Verpackung (56(!)-seitiges Booklet mit geschmackvollen Bildern und detaillierten Songbeschreibungen) wiederspiegelt. Nach der Devise "Do-Undo-Redo" ist "Mind Vol.2" eine Montage, eine Interpretation, eine Zerstörung und Zusammenbau von etwas neuem. Keine Angst ich bin jetzt nicht völlig abgehoben und verfalle in elitäres, unverständlich-abgehobenes Fripp'sches Gelabere, nein, mit den gerade zitierten Worten, erklären Isildurs Bane, und dabei vor allem Bandleader Mats Johansson, das Konzept dieses Doppelalbums. Obwohl der Großteils dieser beiden CDs vor Publikum auf diversen Konzerten in Europa und Mexiko mitgeschnitten wurde, kommen dazu noch ca. 10%, die live im Proberaum von Isildurs Bane aufgenommen wurden. Dies bedeutet, dass dieses Album wirklich zu 100% live ist, jedoch handelt es sich nicht immer genau um dass, was das jeweilige Publikum damals hörte, da "echte" Liveaufnahmen und Studioeinspielungen neu kombiniert wurden. Einige Teile wurden einfach weggelassen, einige neue hinzugefügt. Herausgekommen ist bei diesem Experiment ein äußerst dichtes, richtig fesselndes Hörerlebnis der Extraklasse. Kann die Band auf eine mehr als 25-jährige Bandgeschichte zurückblicken und war sie noch zu Beginn sehr dem Progressive Rock der 70er verbunden, so gab es über die Jahre nicht nur mannigfaltige Besetzungswechsel (momentan agiert die Band übrigens als Fünfer mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards und diversen Percussionsinstrumenten), sondern auch die Stilbreite wurde erheblich ausgeweitet. Am einfachsten ist die Musik mit zeitgenössischer Musik umschrieben, was gleichzeitig viel, aber auch sehr wenig aussagt. Weit ausholend kommen in der Musik von Isildurs Bane jede Menge sinfonische und klassische Elemente vor, genauso gibt es aber auch diverse Teile aus dem Jazz Rock und Fusionbereich. Die rein instrumentalen Klangreisen reichen von schwebender Lässigkeit bis hin zu schwungvoller, fast schon sperriger Rhythmik. Mal Passagen die an Zappa erinnern, dann südamerikanische Percussionsgewitter, dann wieder elegische, äußerst gefühlvolle Gitarrensoli, souverän gespielt, perfekt arrangiert - hier sind deutlich hörbar echte Profis am Werk, die sich nicht als reine Techniker profilieren, sondern ihr Können den über weiten Strecken harmonisch-melodischen, aber in vertrackten Klangreisen unterordnen. Das Repertoire umfasst Ausschnitte aus den letzten drei Studioalben "Mind Vol.1", "Voyage - A trip to elsewhere" und "Cheval", wobei als Gastmusiker bei zwei Titeln ein komplettes Orchester mitwirkt, zudem Instrumentalisten an Cello, Flöte, Trompete, Gitarre und Posaune solistisch glänzen dürfen. Trotz seiner rund 2½ h Spieldauer, ist "Mind Vol.2 Live" ein äußerst kurzweiliges Meisterwerk, womit Isildurs Bane ihren Ruf als einer der wohl interessanten genreübergreifenden Bands im Moment manifestieren. Und vielleicht kommen bei einem ihrer nächsten Konzerte nicht nur 20 Verwegene, wie bei ihrem letztjährigen Auftritt im Spirit of 66 in Verviers, denn diese Band hat wahrlich mehr Zuhörer verdient.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2001