CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)

Somnambulist - The paranormal humidor
(54:30, The Laser's Edge, 2001)

Sechs lange Jahre sind seit dem leider etwas unterbewerteten titellosen Debüt von Somnambulist vergangen. Sechs lange Jahre, in denen einiges in und mit der Band passierte. Nach dem ersten Album verließen nacheinander Schlagzeuger Scott Ratchford, wie auch etwas später Sänger und Gitarrist Henry Bones die Band. Mit neuem Line Up - mit den beiden ex-Volaré Mitgliedern Steve Hatch und Brian Donohe - stürzte man sich auf die Arbeit, heraus kam dabei aber leider nur recht orientierungslose, sehr enttäuschende Musik, die nie veröffentlicht wurde; die Band zerbrach zum zweiten mal. Doch auch die nachfolgende Reinkarnation von Somnambulist war von Anfang an nicht von Erfolg gekrönt, da Sänger Brian King die Band schon nach kurzer Zeit wieder verließ. Mit Peter Cornell, dem Bruder des ehemaligen Soundgarden Sängers Chris Cornell, fand man aber endlich die passende Stimme und auch die vakanten Positionen an Schlagzeug und Gitarre wurden wieder neu besetzt - die Geburtsstunde von Somnambulist Mk.III "The paranormal humidor" ist laut Presseinfo eine Mischung aus Yes und Soundgarden, eine Neuorientierung der Ideen des Old School Progressive Rocks für das aktuelle Jahrtausend. Wie immer treffen natürlich solche effekthaschenden Werbebotschaften nicht den ganzen Wahrheitsgehalt, doch die grobe Richtung stimmt. Somnambulist bedienen sich bei jeder Menge Zutaten aus dem 70er Prog Rock Fundus, als da wären: Tastentöne aus der Urzeit der Rockgeschichte, gegeneinanderlaufende Melodiebögen, ausschweifende Gitarrensoli und jede Menge sperrige Ideen, die man so, heute leider viel zu wenig findet. Doch die Einflüsse des Quintetts gehen weiter, wie nicht nur ein Kurzzitat von The Who's "See me, feel me" beweist, auch das kurze Instrumental "Infant" und der sphärische Schlussteil von "Troy built Helen" zeigen Somnambulist von einer wesentlich ruhigeren, introvertierten Seite. Ein klarer Pluspunkt gegenüber dem Debüt ist aber vor allem der Gesang. Und wirklich: Peter Cornell besitzt ein ähnliches Timbre wie sein Bruder, was der Musik von Somnambulist eine ganz eigene Note verleiht. Und kleine Bemerkung am Rande: ist es da nur Zufall, dass in der heimischen CD Sammlung alphabetisch nach Somnambulist gleich Soundgarden kommt? Wie so viele Alben, die nicht gerade auf griffige Melodien bauen, braucht man ebenso für "The paranormal humidor" einiges an Zeit, manche Ideen zünden erst nach dem dritten oder vierten mal. Doch gelingt es der Band ganz eigene Merkmale ihren Songs beizugeben, die so nach mehrmaligem Hören erstaunlicherweise doch im Gedächtnis haften bleiben. Des weiteren wurde die Keyboarddominanz der Erstlings mehr und mehr durch die Gitarre abgelöst, wobei natürlich immer noch einiges an Synthies, Orgel und Mellotron zu hören ist. Wer sich also an komplexeres, nicht immer leichtes, aber nicht völlig versponnenes Material herantraut, ist bei Somnambulist genau richtig. Eine Band mehr für Spezialisten, aber nicht zu spezial, als dass man sich mit etwas Mut an sie herantrauen sollte. Ohren auf und zugehört!

Kristian Selm



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