CD Kritik Progressive Newsletter Nr.12 (01/1997)
Somnambulist - Somnambulist
(55:30, Laser's Edge, 1996)
Nach Wochen der mittelmäßigen Veröffentlichungen endlich ein Lichtschweif am Horizont. Von der anderen Seite des Atlantiks kommt wieder mal eine neue, äußerst hoffnungsvolle Band, die mit ihrem Debüt fast uneingeschränkte Begeisterung hervorruft. Das "fast" bezieht sich vor allem auf das eklige Cover, wo das Skelett eines Tieres, herausblickend aus einem Stück Fleisch, glubschäugig vor sich hinstarrt - nicht unbedingt jedermanns Geschmack. Der für deutsche Zungen nicht leicht aussprechbare Namen Somnambulist, was übersetzt Schlafwandler bedeutet, ist nicht das einzige, was bei näherem Auseinandersetzen mit dieser Band im ersten Augenblick Schwierigkeiten hervorruft. Bei der Musik wird sich ungeniert aus allerlei Gräbern der Prog Rockmusik der 70er bedient und dem Zuhörer einiges an Flexibilität abverlangt. Doch wer sich mehrfach durch die CD durchgehört hat, dem wird ein lohnenswertes, musikalisches Abenteuer geboten. Seinen Reiz bezieht dieses Debüt hauptsächlich aus der stilistischen Vielfalt und fesselnden Fragmenten, die geschickt zusammengeschweißt wurden. Da geht es mal abgedreht und schräg zur Sache, in ausgeklügelten Instrumentalbombast beweisen die vier Bandmitglieder ihr Können und die ungezügelte Spielfreude gipfelt in begeisternden Passagen und Soloausflügen. Eine Parforce-Jagd, die auch Elemente von King Crimson, Gentle Giant und Yes in sich vereint, dabei aber nie kopiert, sondern nur Anlehnungen erkennen lässt. Für die Puristen könnten die üblichen Fragen nach langen Liedern und Hammond, sowie Mellotron ebenfalls bejaht werden. Doch damit nicht genug. Um den variationsreichen Kompositionen noch eins draufzusetzen, wird dem reichlich vorhandenen Chaos Bombast auch mal etwas Melancholie entgegengesetzt. Des weiteren gibt es als abwegige Einflüsse bei "Torquemanda" auch mal Stierkampf Atmosphäre, bei "Prometheus' lament" erzeugt ein Saxophon kurzfristig jazzigen Charakter. Allein der stellenweise auftretende Gesang von Henry Bones wirkt in seinem nörgelnden Singstil leicht nervend, ist aber wie immer reine Geschmackssache. Laut Bandinfo wurde die Band aus dem Bedürfnis geboren, neue musikalische Ideen abseits vom Mittelmaß, sowie steriler und einfacher Arrangements zu entdecken, was ihnen auch zweifelsohne gelungen ist. Im Moment ist man dabei einen Soundtrack für einen Kurzfilm aufzunehmen und hat ebenfalls mit dem Schreiben von neuem Material für ein Folgealbum begonnen. Verfolgt man weiter den eingeschlagenen Weg, dann darf man sich noch auf einige Überraschungen gefasst machen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997