CD Kritik Progressive Newsletter Nr.40 (06/2002)

Sh'Mantra - Formula Orange
(69:23 + 35:58, Privatpressung, 2001)

Während die australische Pop- und Rockszene über all die Jahre immer wieder mit namhaften Künstlern aufwarten konnte, die Dank geschickter Marketingstrategien auch international einen bestimmten Bekanntheitsgrad erlangten, sieht es für die heimische Progressive Rock / Psychedelic Szene eher düster aus. Nur äußerst selten verschreiben sich Bands von "Down Under" dieser kommerziell wenig lukrativen Musikrichtung. Eine der wenigen Ausnahmen sind die Psychedelic / Space Rocker von Sh'Mantra aus Sydney. Das Debüt "Cornucopia" kam bereits in Heft 26 zu Ehren, letztes Jahr wurde die nachfolgend besprochene Doppel CD "Formula Orange" veröffentlicht. Von anderen Schreiberlingen u.a. mit Bands wie Radiohead, Pink Floyd, Porcupine Tree, King Crimson, Tangerine Dream und Neu! verglichen, reflektiert dies recht deutlich, wohin die Reise bei dem australischen Quartett geht. Wiederkehrende, teils monotone, teils sich ständig steigernde Passagen aus den Zeiten des Krautrocks und frühen Psychedelic Rock s werden gelegentlich durchbrochen von aggressiven Gitarrenparts bzw. experimentellen Klanglandschaften. Die über weite Strecken rein instrumentalen Stücke, die zum Teil bis auf sagenhafte 25 Minuten anwachsen, aber auch mal nur songorientierte knapp vier Minuten lang sein können, schwanken zwischen versponnener Leichtigkeit, verspielten Wiederholungen, sphärischer Relaxtheit und aufrüttelnden Brüchen. Noch vor einigen Jahren wären Sh'Mantra als reine Retroband abgestempelt worden, doch in Zeiten, wo Bands wie z.B. Radiohead oder Sigur Rós sich ganz augenscheinlich auch in der Vergangenheit bedienen, klingt "Formula Orange" auf einmal wieder überraschend aktuell. Doch auch wenn die Ausflüge in die fernen Weiten des Alls, der Musik einen deutlich himmelwärtsgerichteten Grundeinschlag gegen, sorgt die verträumte Atmosphäre, die immerwiederkehrende Ruhe, die die Musik von Sh'Mantra wie ein roter Faden durchzieht, gleichzeitig für eine gewisse Bodenständigkeit, gibt der Musik Seele und Erdigkeit. Die Wiederholungen bzw. die langsame Songentwicklungen wurden in behutsame Balance zwischen Langeweile, Ekstase und Traumwelt gebracht. Dennoch ist "Formula Orange" ein Album, für das man jede Menge Zeit und Muße benötigt, da sich die spannende Wirkung der Musik vor allem bei genauem Zuhören und sich Fallenlassen entwickelt.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2002