CD Kritik Progressive Newsletter Nr.39 (03/2002)

Clepsydra - Alone
(62:37, Privatpressung, 2001)

Früher gab es Zeiten in denen man sich bei Prog Rock Alben stundenlang über die wunderbaren Details des Artworks auslassen konnte (allen voran seien natürlich hier die zahllosen Arbeiten von Roger Dean erwähnt), heute wählt man da ganz andere Möglichkeiten, um aufzufallen. Ob man das Artwork der neuen Clepsydra nun als besonders gewagt oder geschmackvoll bewertet - es gibt das neue Album nämlich wahlweise mit totem Huhn, Oktopus oder Fisch - sei mal dahingestellt, sie fallen auf jeden Fall damit auf und heben sich sehr krass vom üblichen Fantasy Einerlei anderer Produktion ab. Doch abgesehen von diesem neuen Weg, ist bei der Vorzeige-Neo Prog Band aus der Schweiz vieles beim Alten geblieben. Okay, Bassist und Gründungsmitglied Andy Thommen hat die Band verlassen und man ließ sich mehr als vier Jahre Zeit um den Nachfolger zu "Fears" nachzulegen, doch sonst gibt es jede Menge Aha-Erlebnisse und ein Wiederhören mit bekannten Elementen. Da wäre zuerst der ausdrucksstarke Sänger Aluisio Maggini, dem man noch immer seinen Ursprung aus dem italienischsprachigen Teil der Schweiz anhört, der aber dennoch sehr sympathisch der Musik eine besondere Trademark verleiht. Dass seine Muttersprache gesanglich wesentlich authentischer klingt, durfte er bei einem früheren Gastauftritt von Clepsydra in unseren Gefilden bei der Intonation einer italienisch-sprachigen Fremdkomposition unter Beweis stellen, doch dieser kleine persönliche Geschmacksseitenhieb nur am Rande. Ansonsten gibt es wieder die volle melodische Neo Prog Breitseite, die auch auf "Alone" von Clepsydra wieder bestens interpretiert wird. Ausschweifende Arrangements mit epischen Gitarrensoli und Keyboardteppichen, sowie sprunghafte Rhythmen, insgesamt zusammengehalten durch nachvollziehbare, aber verspielte Melodieführung. Nur das Schlagzeug klingt etwas zu steril, ein Spur zu leblos, aber dennoch wärmer als beim Vorgänger. Bereits beim ersten Hördurchgang gräbt sich die Musik in den Gehörgängen fest und bietet ansprechendes Niveau, ohne dass man natürlich hier etwas grundlegend Neues geboten bekommt. Doch im Vergleich zur genrebedingten Konkurrenz, klingt das Endprodukt bei Clepsydra einfach runder, ausgewogener und ist im Gesamten eine gelungene Fortführung des eigenen Stils. Die insgesamt 13 Titel gehen fast übergangslos ineinander über und unterstreichen den Eindruck eines durchgehenden Songflusses, der richtig gut ins Ohr geht. "Alone" bietet grundsoliden, melodischen Neo Prog der besseren Sorte ohne Ecken und Kanten und genau dies erwartet man schließlich auch von Clepsydra. Die Fans können wieder begeistert zugreifen und auch allen anderen Neo Prog Liebhabern, die diese Band bisher noch nicht kannten, können sich mal an der genussvollen Schweizer Variante dieses Stil versuchen.

Kristian Selm



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