CD Kritik Progressive Newsletter Nr.38 (01/2002)
Mike Keneally - Wooden smoke
(84:06, Exowax, 2001)
Die ersten drei Take täuschen. So sensibel, melodisch und intim hat noch kein Album von Mike Keneally geklungen. So wenig elektrisch, so harmonisch und familiär war Mike nie zuvor gewesen. Keine anarchischen Komplexitäten, keine wilden, harten Ergüsse, keine schrägen, abgerissenen Fragmente tun sich auf. Der Meister der avantgardistischen Rockmusik, der progressive und jazzige Grenzen verwischt und nach 40 Jahren Rockmusik ein Erneuerer par excellence ist, hat zu Stille gefunden. Haben sich seit "Nonkertompf" ausgeruhte, elegante Songs in sein Konzept geschlichen, so besteht "Wooden smoke" samt der Extra-CD "Wooden smoke asleep" nur noch aus wunderschönen, lebhaften, aber gefassten Stücken. Die 18 teils sehr kurzen, fragmentarisch wirkenden Stücke auf "Wooden smoke asleep" mögen für diejenigen, die mit Keneally nicht vertraut sind, befremdlich, stückhaft wirken. Für Freunde des Meistern tun sich hier jedoch die intimsten, wahrhaftesten und verliebtesten Melodien auf. Karge Arrangements, verblüffend einfache Strukturen, wichtigste, herausgeschnittene Typica in Alternativ-Versionen von "Wooden smoke"-Stücken - wenn Mike Keneally schon immer eine große Lust am Fragmentarischen, Bloßgestellten seiner Kompositionen hatte, so zeigt sich in dieser sensiblen, traurigen und fröhlichen Musik Mikes Kunst in seiner tiefsten Offenheit. Dass sich ein Musiker so sehr seinem Publikum hingibt und keine Geheimnisse übrig lässt, spricht für Mike Keneally, seine Integrität sowie für seine große Gabe als Musiker, Komponist und Arrangeur. Es steht außer Zweifel, dass weitere Alben folgen werden, mit hartem Rock, ausgeflipptem Jazz und großen Arrangements, instrumental wie emotional. Ich glaube, dass Mike mit "Wooden smoke" seine emotional und intellektuell verwundbarsten Seite gezeigt hat. Wer die liebt, hat ein musikalisches Zuhause gefunden. Und seltsam, wie beatleskes Flair sich auftut, wie ausgefeilte Steely Dan - Muster sich verwirrt wiederfinden und neben der großen Romantik Witz, Schalk und seltsame, aber freundliche Abstraktismen sich auftun. "Nonkertompf" ist unübertrefflich (nur durch sich selbst - live), "Dancing" der absolute Favorit. "Wooden smoke+" ist die Königin. Darüber weht nur noch der kühle, graue Herbstwind.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2002