CD Kritik Progressive Newsletter Nr.34 (02/2001)

Kraan - Live 88
(72:54, Fünfundvierzig, 1988)
Kraan - Dancing in the shade
(51:02, Fünfundvierzig, 1989)
Kraan - Soul of stone
(52:16, Fünfundvierzig, 1991)

Nachdem sich Kraan 1983 mehr oder weniger aufgelöst hatten und die Luft vollständig aus der Band heraus zu sein schien, führte 1987 ein Jam anlässlich der Geburtstagsparty von Hellmut Hattler zu einem ganz plötzlichen Wiederbeleben der Band. Die alte Magie war wieder da und in der Besetzung Helmut Hattler (Bass), Peter Wolbrandt (Gitarre, Gesang), Jan Fride (Schlagzeug), sowie Joo Kraus (Trompete, Keyboards) ging man Ende 1987 wieder auf Tour. "Live 88" wurde, wie schon das erste Livealbum von 1974 wieder in Berlin aufgenommen und war eine Art "Best of", welches gekonnt den Brückenschlag zwischen 70er und 80ern schaffte. Neben dem unheimlichen Groove und der treibenden Kraft der Stücke, ist es auch dem Neuzugang Joo Kraus zu verdanken, dass den Titeln neuer Geist angehaucht wurde. Mancherorts schimmert schon dass durch, was Hattler in modernerem Gewand später bei Tab Two (z.B. im kongenialen "No flagman ahead") vollenden sollte, gerade die zeitweise Hinzunahme der Trompete gibt einigen Titeln neue Klangfülle. In unbändiger Spielfreude wirbelt das Quartett durch sein gesamtes Repertoire aus Fusion von Rock und Jazz und man spürt wieder die Leidenschaft und Energie, die Kraan schon immer auszeichnete. Rund ein Jahr später erschien in der gleichen Besetzung das Studioalbum "Dancing in the shade". Insgesamt orientiert sich das Album stilistisch deutlich mehr an den frühen 80ern, im Sound aber mehr an den 90ern. Insgesamt klingen Kraan wesentlicher weicher, weniger fordernd, schaffen es aber dennoch intelligente Rockmusik abseits aller Klischees zu spielen. Als weiteres Stilmerkmal tritt EVI, ein Art Synthesizer Trompete, des öfteren in den Vordergrund und sorgt für federnde Leichtigkeit. Die Songs haben insgesamt mehr Rockelemente, Funk und jede Menge Groove, sogar kleinere Reggaeanleihen, wirken insgesamt offener. Die Kompositionen haben einen zeitlosen Grundcharakter, bei genauerer Betrachtung merkt man ihnen dennoch an, dass sie eindeutig aus den 90ern stammen. Die Klasse der Vergangenheit wird zwar nicht mehr erreicht, aber "Dancing in the shade" ist dennoch meilenweit davon entfernt, langweiliger Einheitsbrei zu sein und ist mehr als Fortsetzung von "Flyday" oder "Nachtfahrt" zu sehen. Das 1991 erschienene "Soul of stone" erreichte dann leider nicht mehr diese Qualität und gehört sicherlich zu den schwächeren Alben der Kraaniche. Den Songs fehlt es an Dichte, dem Druck anderer Aufnahmen aus der langen Geschichte der Band. Die Ideen wirken eine Spur zu uneinheitlich, nicht in letzter Konsequenz durchdacht. Dass hat nichts damit zu tun, dass auch auf diesem Album mehr aktuelle Strömungen aufgenommen wurden (z.B. leichte Dance-Elemente, groovigere, straightere Beats, Funkeinschlag) und sich Kraan musikalisch weiterentwickelt haben, vielmehr fehlt vielen Ideen die Kraft, der zwingende Wille sich in den Songs und beim Hörer festzusetzen. Natürlich enthält auch "Soul of stone" gutes Liedmaterial und richtige Instrumentalknaller, doch insgesamt hat man ein komisches Gefühl von Orientierungslosigkeit. Nach der grandiosen Rückkehr auf die Bühnen der Republik im letzten Jahr, darf man natürlich auch für die Zukunft gespannt sein, ob die Geschichte von Kraan auch im neuen Jahrtausend noch weitergeschrieben wird.

Kristian Selm



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