CD Kritik Progressive Newsletter Nr.31 (07/2000)

Centrozoon - Blast
(62:18, DiN, 2000)

Centrozoon, das sind Bernhard Wöstheinrich und Markus Reuter (letzterer auch Teil des Europa String Choir Ensembles und Solo- Künstler). Sie bilden quasi einen Konterpunkt zu Reuters Arbeit mit dem Europa String Choir, das eher akustisch orientiert ist - hier ist Reuter mit seinem Kompagnon Wöstheinreich am entgegengesetzten Ende der Musik, voll im elektronischen Bereich (und damit seinen Solo Veröffentlichungen näher als eben seiner Arbeit mit dem ESC). Zeit ist das Gegenstück zum Titel des Albums "Blast" - denn dem Knall, der Explosion entgegnen die beiden Talente Kompositionen von fast Slo-Mo-mäßiger Langsamkeit. Ja, langsam, bedächtig entwickelt sich hier die Musik, die nicht wirklich einem Ziel entgegenstrebt, sondern sich auf seiner Reise, in seiner Evolution praktisch auflöst. Das Konzept von "Blast" weist in "revolutionäre" Richtungen und kehrt das Prinzip ins genaue Gegenteil um - der Weg ist das Ziel, mehr noch, es gibt kein Ziel, kein wirkliches Ziel, die Musik schwebt frei, losgelöst von Zeit - Evolution statt Revolution als Konzept. Wer sich die "Blast" also anhören möchte, der braucht Zeit - nicht nur die Zeit, die auf dem Cover für die einzelnen Stücke vermerkt ist, sondern auch eine Art innere Zeit, Geduld, Ruhe, Vertrauen - alles Dispositionen die man üblicherweise als Hörer nicht mitbringt. Centrozoon schafft monumentale Ewigkeiten, Musik, die sich nicht in Zeit (und Raum) definieren lässt - oder zumindest scheint es so, wenn man "Blast" hört. Das wirklich spannende an Centrozoon ist aber allerdings, dass sie auf diesem Album tatsächlich nur eine Facette ihrer Musik präsentieren - denn Centrozoon hat auch ein anderes Gesicht. Ich bin fast versucht zu sagen, ein weniger ätherisches, oder (auch wenn es so gar nicht in meine bisherige Charakterisierung passen mag) etwas urbanes, etwas pulsierendes, unruhiges, fast schon hektisches... doch wer dieses Gesicht von Centrozoon kennen lernen möchte, der darf nicht zur "Blast" greifen, sondern der sollte sich die zahlreichen Audiotracks auf der Centrozoon- Homepage http://www.centrozoon.de anhören: Die hier präsentierte Musik ist fast ein Gegenkonzept zu "Blast", denn wenn man die Musik auf "Blast" als Musik ohne Anfang oder Ende charakterisieren will, so ist die Musik, die man auf der Centrozoon- Website finden kann hektisch, vorwärtstreibend, auf der Flucht. Will man sich ein komplettes Bild von der Band machen, dann wird man nicht umhin kommen, sich "Blast" und jene Anti-"Blast"-Stücke anzuhören, nur so, wird das Bild einigermaßen komplett. Das die Anti-"Blast" Kompositionen dem Unterzeichnenden durchweg besser gefielen, mag möglicherweise an seiner urbanen Ausprägung liegen. So oder so, Centrozoon debütiert mit einem hochinteressanten Paradoxon - schade, dass man bei der Zusammenstellung des Albums nicht versucht hat, beide Seiten dieser Band darzustellen.

Sal Pichireddu



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