CD Kritik Progressive Newsletter Nr.30 (05/2000)

Krabat - 22
(63:37, Rockwerk, 2000)

Drei Jahre nach ihrem Debüt "Homo ludens" legt die deutsche (und deutschsprachige) Formation Krabat mit "22" ihr zweites Album ab. Dieses wurde, anders als das Debüt, unter einigermaßen professionellen Bedingungen aufgenommen. Drei Jahre, die der musikalischen Entwicklung der Band hörbar gut getan haben: Vieles, was auf "Homo ludens" noch unausgereift oder zögerlich klang, kann heuer überzeugen. Das Konzept des "Progs ohne Keyboards" (!) geht nun voll auf: Keine Keyboards, nein, dafür kommen aber die Gitarren dreckiger, bluesiger, hypnotischer rüber - bisweilen schwingt ein 'Hauch' von Guitar Craft à la KC "Discipline", dies jedoch einer allerdings sehr eigenwilligen Interpretation. Die Musik klingt nun voll und satt, dreidimensional, voller gänsehauterregenden Tiefe, packend, mitreißend - ein Album also, wie es im deutschsprachigen Sektor schon lange nicht mehr gegeben hat. Krabat, das ist nicht nur die Musik, jene mal zarte, mal schroffe, kantige, unverbrauchte, unverbogene Musik, Krabat, das ist auch die hypnotische Stimme der Sängerin Anja Wylezol: Keine gewöhnliche, ätherische "ich-bin-eine-singende-Prog-Elfen"-Stimme, nein, Anja Wylezols Stimme klingt jazzig, mit eigenwilliger, unverwechselbarer Intonation (die man vielleicht am ehesten mit der jungen Nico der glorreichen Velvet Underground vergleichen könnte), mit kryptischen, nach Innen gekehrten Texten, fast surreal, fast impressionistisch. Anja Wylezols Stimme polarisiert die Hörer, lässt sie niemals einfach nur lauschen, eine Stimme, die man entweder hassen muss oder nur lieben kann. Die Kompositionen (8 Stücke, davon 4 rein instrumentale Tracks) wirken nun durchkomponiert, Ideen werden hier zu Ende geführt, ohne dass sie unnötig in die Länge gezogen werden müssen. Es fehlt nicht an Substanz und neben der dominierenden Gitarre des Haupt-Saitenzupfers Andreas Koch, können auch die anderen Musiker (Kai Seibel, Bass; Peter Praesent, Drums und auch Anja Wylezol, Gitarre, Querflöte, Glockenspiel) ihre Fertigkeiten unter Beweis stellen. Ach ja - das Cover mit seinen wundervoll melancholischen Fotos aus der deutschen Bahnhofsprovinz trägt zum absolut gelungenem Gesamtwerk bei. Krabat etablieren sich mit diesem phantastischen Album nun endgültig in der Champions League des deutschen Progs. Definitiv eine Band, die man ernst nehmen muss: Ihr Sound ist unverwechselbar, eine Band, die ihren ganz eigenen Weg geht, fernab jeglicher Plagiate.

Sal Pichireddu



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