CD Kritik Progressive Newsletter Nr.30 (05/2000)

D.F.A. - Duty free area
(50:16, Mellow Records, 1999)

Wenn auf einem Album alle möglichen Stile wild gemischt werden, führt dies meist zu dem Vorwurf, dass sich der betroffene Interpret bzw. Band einfach nicht entscheiden konnte und letztendlich zwischen allen Stühlen sitzt. Bei der italienischen Formation DFA gilt diese mal als die löbliche Ausnahme. Denn mit welcher Selbstverständlichkeit, aber auch Souveränität der Brückenschlag zwischen den Genres geschafft wird, verdient vollste Hochachtung. War das Debüt "Lavori in corso" aus dem Jahre 1996 noch sehr deutlich im emotionalen Italo Prog der 70er verwurzelt, so gehen die vier Norditaliener jetzt in deutlich andere Richtungen, ohne ihren Ursprung zu leugnen. Der instrumentale, über zehnminütige Opener "Escher" ist ein flirrender Ritt in die Weiten des modernen Space Rocks. In ständiger Dynamik- und Spannungssteigerung geht es im Stile von Ozric Tentacles bzw. Porcupine Tree los, später setzt Percussion ein, bevor ein Latin Rock geprägtes Keyboardsolo fast schon in Jazz Rock Bereiche abdriftet. Das folgende "Caleidoscopio" hingegen ist von vollkommen anderem Charakter. Spannender Rhythmusarbeit liefert den Grundstock für furiose Soli an Vibraphon und Gitarre. Das Stück lebt von seiner expressivem Verschmelzung aus südeuropäischen Progressive Rock mit moderatem Jazz Rock, zu keiner Sekunde ahnt man was folgt und wird ständig angenehm überrascht. Jedoch ist das Dargebotene keine Frickelorgie, sondern harmonisch eingepasst in expressive Spannung. Nachfolgend kommt Deux Ex Machina Frontmann Alberto Piras zu seinem Gastauftritt. Und nicht nur er, sondern auch noch Trompete und sprunghafter Songverlauf führen "Esperanto" in komplexere, aber auch rockigere Gefilde. Es folgen wiederum zwei Instrumentalnummern: zuerst das relativ kurze "Ascendente scorpione", welches sich in den Grenzbereich aus Fusion und Progressive Rock vorwagt, bevor es bei "Ragno" schräger und heftiger, aber auch mehr zurück in die 70er geht. Dennoch wirkt nichts aufgesetzt, sondern Komplexität und Musikalität gehen Hand in Hand, nichts dient hier dem reinen Selbstzweck. Und gerade wenn es zu wild wird, sorgt Ruhe und sparsames Arrangements für den nötigen Ausgleich. Deshalb beschließt auch die sanfte Ballade "Malia" mit Gastsängerin Giorgia Gallo das Album, doch wirkt hier manches zu gut gemeint, der mehrstimmige Gesang zerfällt in ungewollte Schrägheit, auch vom sonstigen Gesamteindruck sicherlich der schwächste Titel des Albums. Insgesamt ist "Duty free area" jedoch eine CD voll Überraschungen, ungeahnten Wendungen und man entdeckt bei jedem Hördurchgang neue Facetten dieses stimmungsvollen Gesamtwerkes. Wer nach Abwechslung und Anspruch sucht, findet sie hier. Ein äußerst dichtes, intensives Album.

Kristian Selm



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