CD Kritik Progressive Newsletter Nr.27 (09/1999)

Zello - Quodlibet
(53:53, Musea, 1999)

Und wieder mal ein absolutes Top-Produkt aus der Prog-Hochburg Schweden! Bereits mit ihrem Debüt waren sie eine echte Empfehlung für alle Kansas-Fans. Mit ihrem zweiten Album beweisen die Schweden eine Weiterentwicklung, ohne vom bisherigen Konzept wesentlich abgewichen zu sein. Die sieben Songs waren bereits Ende 1997 aufgenommen worden, doch die Veröffentlichung verzögerte sich, da man sich nach der Auflösung ihres ursprünglichen Labels Ad Perpetuam Memoriam nach einer neuen Plattenfirma umsehen musste. Schließlich gelangten sie zu Musea, was auf der einen Seite sicherlich als Erfolg zu bezeichnen ist, andererseits aber aufgrund der vielfältigen Aktivitäten der Franzosen ein gewisses Maß an Geduld bezogen auf die Veröffentlichungspolitik abverlangt. Da jetzt nun endlich dieses hervorragende Werk vorliegt, ist aus dem ursprünglichen Sextett ein Quintett geworden, da einer der beiden Keyboarder (Mats Olsson) in der Zwischenzeit ausgestiegen ist und im Booklet lediglich als Gastmusiker aufgeführt ist. Kopf der Band ist sicherlich Sänger P-O Saether, der abgesehen von den drei einminütigen Traditional-Arrangements von Geiger Lennart Glenberg-Eriksson für sämtliche Kompositionen und Texte verantwortlich ist. Seine Stimme ist der von Steve Walsh unglaublich ähnlich, dazu das markante Violinenspiel und einige Gesangsmelodien, die Walsh & Co. nicht besser hätten arrangieren können - klar, dass dieses Album ein absolutes MUSS für jeden Kansas-Fan darstellt ! Doch Zello sind keine pure Kansas-Kopie, sie haben durchaus ihren eigenen Stil anzubieten. So fehlt bei ihnen z.B. ein Gitarrist, was zunächst gar nicht einmal auffällt, da die Geige diesen Part sehr geschickt zu übernehmen weiß. Keyboarder Anders Altzarfeldt streut satte Hammond Einlagen ein, auch das Mellotron (wenn auch nur sehr zurückhaltend eingesetzt) fehlt nicht. Dass die Rhythmusgruppe (Danne Lindell am Bass und Svetlan Raket am Schlagzeug) ebenfalls zu überzeugen weiß, versteht sich von selbst. Schon der Eröffnungstitel "I will be the wind" ist ein 1a-Ohrwurm, der definitiv Radiotauglichkeit besitzt, der Klasse-Refrain setzt sich sofort in den Gehörgängen fest. Hier wie auch in dem 10-minütigen "Flag of convenience" oder im 8-minütigen "Anthem of the long forgotten loss" gelingt es ihnen in hervorragender Weise, einen Song mit Ohrwurmcharakter derart mit gelungenen Arrangements auszubauen, dass sowohl Freunde des kompakten Songs mit Wiedererkennungswert als auch Fans ausgedehnter Instrumentalpassagen voll auf ihre Kosten kommen. Dass Zello im Vergleich zum Debüt ihr Spektrum erweitert haben, zeigen nicht nur die oben erwähnten Traditionals von Geiger Glenberg-Eriksson, die stellenweise an Fairport Convention erinnern, sondern auch "Zwecia", ein abwechslungsreicher Song mit über 25 Minuten Spielzeit, der mit Fug und Recht als Zellos "Magnum opus" bezeichnet werden kann. Was hier geboten wird, ist einfach Spitzenklasse; ob klassische Ansätze durch die Violine, traditionelle Arrangements mit Oboe und Englischhorn (fabelhaft gelungen), flotte, rockige Parts, satte Hammondorgel, die erstklassige Stimme des Herrn Saether ; hier passt alles. Die Wurzeln der Zello Musik mögen in den 70ern liegen, doch das Ganze wird ausgesprochen modern und frisch präsentiert. "Quodlibet" gehört für mich zu den 5 Top-Veröffentlichungen dieses Jahres, und ich hoffe, dass die Jungs den Wechsel zu Musea nicht bereuen werden und die Verkaufszahlen einen Spitzenwert in der Musea Hitliste erreichen werden. Verdient hätten es die Schweden allemal. Gut möglich übrigens, dass man Zello im Herbst in Belgien oder Holland (und vielleicht auch in Deutschland?) live erleben kann. Also: CD kaufen und Konzert besuchen!

Jürgen Meurer



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