CD Kritik Progressive Newsletter Nr.26 (07/1999)
Cast - A live experience
(72:24 + 72:58, Musea, 1999)
Seit über 20 Jahren sind sie inzwischen aktiv, doch erst seit 1993 machen Cast nicht nur durch ihren unglaublichen CD Ausstoß mit 8 Longplayern, sondern auch durch steigernde musikalische Qualität auf sich aufmerksam. Das aktuelle Album "A live experience" bietet nun als eine Art "Best of" im Livegewand einen umfassenden Überblick über den sinfonischen Bombastrock der Mexikaner. Ehrlich gesagt, gerade die älteren Longplayer waren in meinen Augen zwar nett gemacht, aber irgendwie nicht eindringlich genug, erst mit ihrem letzten Studioepos "Angels and demons" brachen sie das Eis. Ihr gelungener Auftritt beim letztjährigen Uden Festival tat ein übriges dazu, dass die Lateinamerikaner doch wesentlich an Profil gewannen. Eigenartigerweise enthält nun diese Sammlung verschiedener Auftritte aus dem Zeitraum 1995-1998 (u.a. Pre-Progfest, ProgDay, Baja Prog Festival) aber keinen einzigen Titel von "Angels and demons", alle anderen Alben sind dafür mit einem oder mehreren Titeln vertreten. Wirken die Studioaufnahmen noch etwas unfertig und unspektakulär, so sind die Liveversionen druckvoll und präzise auf den Punkt gebracht. Zwar gehören die beiden Sänger Francisco Hernández und Dino Brassea nicht gerade zur tremolierenden Elite, aber ihr deutlich akzentbeladener Gesang geht soweit in Ordnung und sehr oft haben sie auch einfach Sendepause. Wesentlich besser sind da schon ihre instrumentalen Fähigkeiten. Brassea sorgt für beschwingte Flötentöne, Hernández bearbeitet gefühlvoll und weit ausschweifend seine Gitarre. Die punktgenaue und sehr variable Rhythmusgruppe um Schlagzeuger Antonio Bringas und Bassist Rodolfo Ganzález sorgen für einen prächtigen Unterbau, beide bekommen aber auch kurz solistischen Entfaltungsraum. Dominierendes Element bei Cast ist aber Tastenvirtuose Alfonso Vidales, der nicht nur behände die Tonleiter rauf und runterrasen kann, sondern geschickt durch verschiedene Sounds einen eigenen Klangkosmos erschafft. Tempomäßig bevorzugen die gut beleibten Mittelamerikaner, ganz im Gegensatz zur ihrer Körperstatue, mittelschnelles bis galoppierendes Terrain, es darf aber natürlich auch nicht an Ruhe und Atmosphäre fehlen. Okay sie sind keine Übergruppe, aber als Einstieg in die sinfonische Welt von Cast ist "A live experience", sofern man kein Problem mit Liveaufnahmen hat, eine wirklich gute Wahl. Besonders bei den älteren Studioalben sollte man aber trotzdem vorsichtig sein.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1999