CD Kritik Progressive Newsletter Nr.21 (07/1998)

Cast - Angels and demons
(73:57, ALF, 1997)

Alle Achtung! Irgendwie hatte ich Cast ganz anders, sprich wesentlich schlechter in Erinnerung. Nachdem die Mexikaner seit 1993 zahlenmäßig unglaubliche sechs(!) Studioalben plus ein Livealbum vorlegten und damit den Ruf der produktivsten Progressive Rock Band abbekamen, natürlich auch mit dem Makel belastet mehr Masse als Klasse abzuliefern, so ist ihr aktuelles Werk "Angels and demons" doch ein Statement, welches aufhorchen lässt. Vom amerikanischen Magazin Progression stilistisch als Neo-Progressive Variante Genesis zu seligen "A trick of the tail" Zeiten tituliert, so umschreibt dies wohl am trefflichsten, was man von den zehn Titeln, vier übrigens rein instrumental, erwarten darf. Klassisch angehaucht, werden verschachtelte Ansätze melodiös verpackt, die vielfältigen und virtuos gespielten Kompositionen laden gerade zum mehrmaligen Anhören an, da man immer wieder neue Facetten in ihnen entdecken kann. Trotz deutlicher Keyboarddominanz des hervorragenden Bandleaders Alfonso Vidales, kann auch Gitarrist Francisco Hernandes Reyes sein Scherflein zu den deutlich in den 70ern verwurzelten Tönen beitragen, über denen das Feeling und die Stimmung von Genesis schwebt. Trotz aller Euphorie sollten jedoch zwei Kritikpunkte nicht unerwähnt bleiben. Zum einen verzettelt sich der Fünfer aus Nordmexiko manchmal in etwas zu langatmig geratene Epen, bei denen der Spannungsbogen auch mal abflacht. Tja, und dann wäre da noch der Gesang. Zwar in Englisch, gesangstechnisch auch ganz okay, aber ein deutlicher Akzent, vergleichbar wie z.B. bei Clepsydra oder Dracma, schimmert sehr offensichtlich durch. Jedoch ist die Instrumentalabteilung so gut, dass dieses Manko doch zufriedenstellend übertüncht werden kann. Können die inzwischen schon seit 20 Jahren aktiven Cast ihr mit diesem Longplayer angedeutetes Potential halten oder noch geringfügig verbessern, so sind sie ein heißer Kandidat für einen breiteren Hörerkreis. "Angels and demons" weist den Weg dahin. Das ausgezeichnete Artwork von Michael Bennett reiht sich schon jetzt in der Oberklasse ein.

Kristian Selm



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