CD Kritik Progressive Newsletter Nr.18 (01/1998)
Leger De Main - Second first impression
(49:49, PMM, 1997)
Meine Vorfreude war recht groß, war doch Leger De Mains Debüt "The concept of our reality" eine der Prog Hard Rock Überraschungen im Jahr 1996. "Second first impression" wurde als abenteuerlicher Progressive Rock im Stil von King Crimson, Dream Theater und Yes angekündigt, Keyboarder, Gitarrist und Hauptverantwortlicher des Trios Chris Rodler, umschrieb den zweiten Versuch als "die musikalische Basis ist die gleiche geblieben, ... aber wir haben unser musikalisches Vokabular erweitert". Selbstverständlich ist es löblich, wenn sich eine Band weiterentwickelt, doch bei Leger De Main ging der Schuss, meiner Ansicht nach, in die falsche Richtung los. Nach dem kurzen Intro "Running interference", welches prima als Einmarschmusik der Zombies in einem Horrorfilm dienen könnte, ist das Instrumental "Silent monster" der ziemlich extreme Schritt in neue Richtungen. Nach billigem, uninspiriertem Neo Prog Beginn folgt nach der Hälfte des Songs ziemlich heftige, virtuose Abgedrehtheit Marke Happy Family. Wilde Gitarrenfiguren, plötzliche Taktwechsel, dennoch wirkt diese Zerfahrenheit aufgesetzt und wenig uneinheitlich. Glücklicherweise sind die restlichen 41 Minuten wesentlich homogener. Guter, abwechslungsreicher Gesang der starken Frontfrau Melissa Blair und komplexe, lange Lieder oberhalb der 8 Minuten Grenze, denen es dennoch nicht an melodischen Elementen und ruhigeren oder akustischen Einlagen fehlt. Vom Einfallsreichtum und auch inhaltlich ist man den bloßen Kopisten weit überlegen, doch wirkt die Aneinanderreihung mancher Ideen wie Musik, die im Labor zerkocht wurde. Selbst nach dem fünften Hördurchgang will trotz gehörigem Härtegrad, Holperfaktor, guter Soli an Keyboards und Gitarre und brillanten Musikern der berühmte Funke bei mir leider nicht überspringen. Doch soll der mutige Schritt, sich weiterentwickelt zu haben, an dieser Stelle gewürdigt werden, denn wie bereits in anderen Kritiken zu lesen war, stößt diese CD auch auf offene Ohren und grenzenlose Begeisterung. Wer also auf härteren, komplexen Progressive Rock steht, darf sich an diesem Album versuchen. Bei mir bleibt die Hoffnung, dass ich beim nächsten Album mehr Zugang finde.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1998