CD Kritik Progressive Newsletter Nr.16 (08/1997)
Erik Norlander - Threshold
(51:37, Kinesis, 1997)
Vor allem als Keyboarder der Rocket Scientists (Kritik deren CD "Brutal architecture" weiter hinter im Heft) bekannt, schlägt Erik Norlander auf seinem Solodebüt ganz andere Töne an, als dies seine Arbeit mit seiner Band vermuten lässt. Als Vorbilder gibt er Rick Wakeman, Eddie Jobson, Patrick Moraz, Geoff Downes und Chick Corea an. Trotz großer Namen geht es im Vergleich zu der Musik, die diese Virtuosen repräsentieren, recht zugänglich zu. Norlander protzt nicht mit Fingerfertigkeiten, sondern stellt kompakte Kompositionen an alten (Hammond, Moog), wie neuen Tasteninstrumenten in den Vordergrund. Die Bandbreite reicht von fröhlich und beschwingten Klängen, bis hin zu groovige Rhythmen und massivem Keyboardbombast, wobei ebenso langgezogene Passagen mit minimaler Weiterentwicklung aber unheimlich viel Atmosphäre ihren Platz finden. Manchmal klingt das Dargebotene zwar leicht seicht, poppig und zu geradeaus (z.B. "No cross to carry"), dies ist aber dennoch nur ein weiteres Stilmittel für ein vielschichtiges Album. Der Sound ist modern, weckt stellenweise Erinnerungen an einen Soundtrack, da die Melodiefolgen in ihrer wechselnden Dramatik gut zur Untermalung von Filmsequenzen verwendet werden könnten. Interessant sind vor allem die verschiedenen Einflüsse, die verarbeitet werden. "Neurosaur" klingt in seinen bombastisches Anleihen nach Ars Nova. Ein kurzes Zitat von Eddie Jobson bei "No cross to carry" erinnert an die Anfangsakkorde von "Carrying no cross" von UK, wobei der Rest dieses Songs mit beschaulicher Melodik ausgestattet ist. Der Titelsong beeindruckt durch seinen experimentellen Charakter, selbst leichte Anleihen beim Drum'n'Bass sind zu vernehmen. Beim "Neuro Boogie" schimmert eindeutig Keith Emerson durch, der auch das Vorwort im Booklet verfasste. Beim 11-minütigen "Waltz of the biots" sind es bohrende und schräge Rhythmen, die hervorstechen, die Melodieführung gleitet in Jazzbereiche ab. Mit klassischer Dramatik und einer Spur kompositorischem Leerlauf durch einige Wiederholungen geht mit "Critical mass" ein Album zu Ende, das recht wenig mit den Rocket Scientists zu tun hat, sich aber ansonsten wohltuend von den typischen instrumentalen Keyboardalben durch Abwechslung und nicht angeberisches Geprotze abhebt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997