CD Kritik Progressive Newsletter Nr.16 (08/1997)

The Gathering - Nighttime birds
(48:45, Century Media, 1997)

Sehr gespannt, vor allem nach dem sehr hörenswerten letzten Opus "Mandylion", wartete man bereits auf den Nachfolger von The Gathering. Und um es gleich vorweg zu nehmen, "Nighttime birds" ist ebenfalls ein herausragendes, hörenswertes kleines Meisterwerk geworden. Die Musik lebt von Melodien und Stimmungen, die Bandbreite reicht von moderat ausgelassen bis schwermütig, wobei einen vor allem Sängerin Anneke van Giersbergen durch wunderschöne Gesangslinien gefangennimmt. The Gathering, trotz ihrer gitarrenbetonten Grundrichtung stilistisch einfach in die Metal-Schublade zu stecken, wird ihnen in keiner Weise gerecht. Zwar heulen die Gitarren manchmal recht heftig, und auch einige Power Riffs deuten auf den metallischen Ursprung hin, doch sind es andere Merkmale, die die Holländer über die Maßen aus dem großen Musiksumpf herausheben. Wie bereits erwähnt, ist es vor allem die Stimme der Frontfrau, die nicht eine simple, weibliche Kopie eines Heavyshouters ist, sondern vor allem in den ruhigen Passagen die Spannung aufrechterhält, und einen voll Erwartung lauschen lässt. Interessant ist weiterhin der überaus gelungene Stilmix aus schleppenden Rhythmen, Gothic Sequenzen und prägenden Gitarrenakkorden, eingebettet in einen atmosphärischen Grundsound. Mal heavy, dann wieder recht melancholisch, wirkt das Gesamtkonzept trotzdem sehr melodiös, und weckt ein ums andere mal Erinnerungen an die gitarrenlastigere, zugängliche Seite von The 3rd And The Mortal. Keyboards oder Hammond erweitern das Klangspektrum, und sorgen so geschickt für die passenden Stimmungen. Die einzelnen Songs schwanken zwischen gitarrenlastigen Klängen in mittlerem, bis langsamen Tempo, die schon fast bombastisch anmuten, und ruhigen Passagen, die zwar von Traurigkeit beherrscht sind, aber dennoch Hoffnung ausstrahlen. Diese Wehmut der Klänge sind von derselben zerbrechlichen Schönheit, wie dies skandinavische Gruppen Marke Landberk und Konsorten bereits vorgelebt haben. Erhältlich ist diese CD in jedem gut sortierten Plattenladen, und sofern sich die Chance ergibt, sollte man "Nighttime birds" unbedingt anhören. Wenn einen, so wie mich, einmal der Virus befallen hat, und man auch bereits an "Mandylion" Gefallen hat, so kann jedoch bedenkenlos zugegriffen werden.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1997