CD Kritik Progressive Newsletter Nr.15 (06/1997)

ICU - ICU
(54:10, Music For Poems And Essays, 1997)

Dies ist nicht, wie man aufgrund eines titellosen Albums vermuten könnte, die erste CD von ICU. Nein, die sechsköpfige Band aus der Gegend südlwestlich von Stuttgart legt mittlerweile schon ihr drittes Werk vor. Nachdem die letzte Veröffentlichung "Now and here" ein reines Konzeptalbum war, besteht "ICU" aus acht verschiedenen Kompositionen, wobei z.B. "The course of the sun" schon vor "Now and here" komponiert wurde. Neben dem optisch interessant gestalteten Booklet - jeweils eine Hand der Musiker wurde in Blauton gehalten abgebildet - fällt beim ersten Anhören der verstärkte Flöteneinsatz auf, der der Musik einen leicht folkloristischen Anstrich verleiht. Flötistin Eva-Maria Baumann verleiht auch öfters im nett arrangierten Chorgesang Sänger Ralf Großmann stimmliche Unterstützung. Die Lieder sind komplexer und vielschichtiger geworden, wobei immer noch ein hoher Melodieanteil, hauptsächlich durch Gitarre und Flöte, zu verzeichnen ist. ICU bleiben weitgehend in der neo-progressiven Schiene, jedoch muss man sich für dieses Album Zeit nehmen, und es nicht schon nach dem ersten Anhören aus dem Player befördern. Es gibt immer wieder Passagen, die durch ihre Dramatik aufhorchen lassen. Bestes Beispiel dafür der Mittelteil des Openers "Poem". Dort wird die Spannung abwechselnd durch Gitarre, Keyboards und Flöte aufgebaut, und auch nicht vor schräg klingenden Akkorden halt gemacht, die schließlich in einem flotten, solistischen Duell zwischen Flöte und Keyboards gipfeln. Ebenso gibt es sehr eingängige Melodien, wie z.B. der Chorus von "Queer", der gleich beim ersten Durchgang hängen bleibt. Jedoch wirken mir einige Übergänge einfach zu konstruiert, zu holprig. Es entsteht der Eindruck, dass man an manchen Stellen zu viel beweisen wollte. Trotzdem haben es ICU geschafft, ihrer Musik ein eigenes Profil zu geben, wo man nicht beim Anhören gleich an andere Gruppen erinnert wird. Verträumte Momente, wie die einfach gehaltene, melancholische Ballade "Silent girl", ergänzt durch Violine und Cello oder auch der Beginn von "Levitation", zeigen dass hier die eigentliche Stärke der Band liegt.

Kristian Selm



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