(16:40, 17:38, 20:24, 20:49, 2LP, Lost On Earth/Tonzonen, 2016)
Wir hören den Aprogstel Lukas, Kapitel 2, Verse 1-3: “Sehet es begab sich aber zu der Zeit, dass die Statthalter des Psychedelic Network ein Gebot aussandten, dass alle Space-, Psych- und Krautrocker geflashed würden. Zu diesem Behufe ward also das Monsters of Krautrock ausgerufen, das füglich in Cairo stattfinden sollte. Allerdings nicht dem in Pharaos Ägyptenland, sondern dem in Charlys Würzburg.”
Auf ausdrücklichen Wunsch des gesetzten Teilnehmers und legendären deutschen Gitarristen Ax(el) Genrich (u.a. Agitation Free, Guru Guru, Zone Six) sollten auch die vier Knall-Weisen aus dem Rheinland an der Ausschüttung des Psych-Geistes teilhaben. Und – gottlob! – so geschah es auch.
Der soeben auf Tonzonen erschienene “Alienfunk”-Verkehr ist das Tondokument zum Knall-Auftritt am 26. September 2015. Für diejenigen von uns, die nicht dabei sein konnten, handelt es sich hier einerseits um Erregung öffentlichen Neides. Und andererseits um Trost und Aufrichtung. Denn auch auf der heimischen Anlage vollbringt diese Musik ihr bewusstseinmassierendes Werk.
Die knallige Besetzung:
g-homme – bass
Dennis Gockel – drums
Buddha Jones – fx bass
Baal Brain – guitar.
Bekanntlich improvisiert das Kölner „Improacidpsychedelicalienfunkspacerock“-Kollektiv (Selbsteinschätzung) ausschließlich. Und dabei reden wir nicht davon, dass sich Gitarrist und vielleicht auch noch Schlagzeuger jahrelang im Probenkeller mühsam ein, zwei im Wesentlichen gleichbleibende, aber improvisiert wirkende Solo-Spots draufschaffen. Sondern davon, dass wenig bis nichts vom Konzertgeschehen vorher festgelegt ist – also weniger als bei einer Jazz-Jamsession über Standards. Alles entsteht aus der Interaktion der Musiker untereinander und natürlich der mit dem Publikum sowie nicht zuletzt mit der im konkreten Fall von Kosmik Klaus (& his solar sea slideshow) bereitgestellten Visualisierung und Lichtkunst.
Das “Cairo Concert” wächst quasi organisch aus einem zunächst fast unscheinbar wirkenden, aber wunderbar federnden Motiv, das seinen Charakter aber durch Buddahs kräftig zerrenden Bass und Flanger- sowie Phaser-Effekte ständig wandelt und so den ‘Alienfunk’ wunderbar abheben lässt, bis uns schließlich die ‘Gravity’ wieder in ihre Macht zurückbekommt.
Auch ‘Staring At Lines’ beginnt tastend, vorsichtig, und nimmt erst über spacige, teils bedrohlich wirkende Effekte allmählich Fahrt auf, exzellent vorangetrieben von Dennis Gockels Rhythmusarbeit (auch: Space Invaders, Weltraum). Wenn man gerade glaubt, nun sei aber keine weitere Steigerung mehr möglich, peitschen “Brainy” und die Doppelbass-Spitze das Stück mit luftschutzsirenartigem Heulen zu einer sich überschlagenden Klimax (‘Epilogue’).
‘Prologue’ hebt stark perkussiv an, mit abgedecktem Rhythmusspiel und einem rollenden Groove, der sich zum besonders köstlichen ‘Quittengelee’ entwickelt. Wenn überhaupt an etwas, erinnert dies an manche Momente von Quicksilver Messenger Services “Happy Trails”. Mit dem die gesamte D-Seite einnehmenden, harmonisch orientalische Einflüsse zeigenden, wiegenden ‘Eightballs’ klingt dieses großartige Live-Statement kongenial aus.
Unser Album der Woche macht an – schon wenn man das ein wenig wie ein auf einem heftigen Trip befindlicher Barcode wirkende Artwork von Drummer Dennis betrachtet. Oder wenn man die 180 Gramm schweren, grausilbrig-transparenten (limitiert auf 300 Stück) oder wahlweise schwarzen (200 Stück) Platten den gefütterten Hüllen entnimmt. Für Vinyl-Verächter oder -Verhinderte ist für nur 14 € zzgl. Versand auch eine auf 1.000 Exemplare limitierte CD erhältlich. In der richtigen Stimmung genossen, handelt es sich hier um den seltenen Glücksfall von Musik, die uns abheben lassen kann und später sanft an einem Ort absetzt, an dem wir zuvor noch nicht gewesen sind. Beim Barte des Progpheten!
Bewertung: 13/15 Punkten
PS: Für die Abmischung des fetten und doch feinzeichnenden Sound zeichnet Matt Korr verantwortlich (u.a. Tiamat, Space Invaders). Das Mastering wurde für CD und LP unterschiedlich vorgenommen.
Surftipps zu Knall:
Homepage
Konzertbericht: Knall, Black Space Riders, 11.09.15, Köln
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