Interview


(Progressive Newsletter Nr.34 02/01)
Ausschnitte eines Interviews mit Anja Wylezol (Gesang, Flöte)


Vor knapp einem Jahr habt ihr euer Album "22" veröffentlicht. Wie war die Resonanz im In- und Ausland? Hat sich der Aufwand der semi-professionellen Bedingungen gelohnt - oder war das Album nur ein finanzieller Kraftakt?

Im April letzten Jahres erschien mit "22" bereits unsere zweite CD. Im Gegensatz zur ersten Platte, die wir über einen Zeitraum von einem Jahr in unserem Proberaum selbst aufgenommen hatten, waren wir für "22" in einem richtigen Studio. Man muss sich natürlich vergegenwärtigen, dass wir erheblich weniger Aufwand betreiben konnten, als eine kommerziell orientierte, wirklich professionelle Produktion. Dein Eindruck der Semiprofessionalität stellt für uns also durchaus ein Kompliment dar, wir selbst betrachten uns nämlich als Amateurband. In Deiner Frage nach der Resonanz auf "22" schwingen sowohl künstlerische als auch wirtschaftliche Aspekte mit. Ich denke, künstlerisch können wir mit unserer Platte sehr zufrieden sein, die Kritiken waren erfreulich positiv. Uns selbst gefällt sie übrigens auch. Wirtschaftlichen Erfolg hatten wir natürlich keinen. Konny Eisenring mit ihrem Schweizer Label Black Rills Records sorgt sehr engagiert für den Vertrieb unserer Platte. Ihr ist es unter anderem zu verdanken, dass wir sogar über Lasers Edge und Cuneiform in den USA zu beziehen sind. Wenn man ihr Glauben schenken darf, verkaufen wir uns sogar ganz gut, aber mit einer Auflage von 500 CDs ist es von Vornherein nicht möglich, sämtliche Produktionskosten wieder ‘reinzuholen.


Da war doch dieser Gig mit den großartigen Anekdoten... Wie habt ihr das Konzert erlebt und wird es noch einmal so eine Chance geben? Glaubt ihr, dass ihr diese Chance nutzen konntet?

Ja, dieses Konzert war wahrscheinlich einer der Höhepunkte in unserer Bandgeschichte. Da wir Anekdoten sehr mögen, waren wir natürlich ordentlich aufgeregt, aber ich glaube, wir haben unseren Auftritt trotzdem ganz gut hinbekommen. Auch das ganze Umfeld des Konzerts war für uns sehr angenehm. Großartige Folgen hatte das Konzert aber eigentlich nicht, niemand hat uns zum Beispiel einen Folgeauftritt angeboten. Ich weiß nicht, ob wir irgendwas verpasst haben, was wir hätten nutzen können. Weißt Du, wir sind wirklich eine Amateurband. Das bedeutet, dass alle Mitglieder der Gruppe außerhalb der Musik einen Beruf haben, der die Woche ausfüllt. Am Wochenende dann treffen wir uns, um zu proben, an neuen Stücken zu feilen oder hin und wieder einen Auftritt zu machen. Um mehr zu erreichen, wäre jemand notwendig, der sich um nichts anderes kümmert, als Auftritte an Land zu ziehen und die Werbung zu organisieren, ein Manager halt.


Euer Drummer, der einen nicht unerheblichen Anteil an eurem Sound hatte, verließ die Band vor einem halben Jahr. Wie kam es dazu? Was macht er jetzt?

Ich glaube, die Gründe für unserer Trennung bestanden im Nachhinein betrachtet schon seit einer ganzen Weile. In erster Linie gab es persönliche Differenzen. Ich glaube außerdem, dass es kein Zufall ist, dass wir uns kurz nach der CD Produktion getrennt haben, nebenbei betrachtet ein optimales Timing, weil wir seither keine Live-Auftritte machen können, um "22" zu promoten. Du musst Dir vorstellen, eine solche Produktion bedeutet bereits Wochen im Vorfeld sehr intensive und durchaus selbstkritische Proben, dann sitzt Du zwei Wochen lang fast ununterbrochen im Studio in einem kleinen Raum zusammen, und anschließend haben wir ja auch die Grafik für’s Cover selbst am PC gestaltet. Da werden die Schwierigkeiten innerhalb der Gruppe wie durch ein Brennglas vergrößert und unterschiedliche Auffassungen werden plötzlich viel bedeutender. Wir wissen leider auch nicht, was Peter derzeit musikalisch vorhat. Wie soll ich sagen, wir haben seit der Trennung nicht mehr so viel miteinander geredet. Das ist halt, wie wenn eine Ehe auseinander geht.


Wie arbeitet ihr zur Zeit? Habt ihr schon Ersatz in Aussicht - und wenn nicht, arbeitet ihr mit "elektronischer Hilfe"?

Wir haben leider noch keinen neuen Drummer, noch nicht einmal jemanden in Aussicht. Schlagzeuger scheinen auszusterben. Nach unseren derzeitigen Erfahrungen gibt es folgende drei Kategorien von Schlagzeugern: "Stimmt, ich spiele Schlagzeug. Ich bin Profi, muss Frau, Kinder und mich selbst ernähren. Was gibt es also an Geld, und wie viel Auftritte macht Ihr in der Woche?" "Stimmt, ich habe mal Schlagzeug gespielt. Ich muss eine Frau, Kinder und mich selbst ernähren. Ergo habe ich keine Zeit mehr, mich mit Musik zu beschäftigen." "Stimmt, ich spiele Schlagzeug, bin noch jung, dynamisch, habe keine Familie, dafür dreizehn andere Bands am Laufen. Ergo habe ich keine Zeit." Einer, der keine Einwände macht, weder persönlicher noch musikalischer Natur, ist Kurt. Kurt hat 500 Presets, 500 freie Speicherplätze und fünfzig verschiedene Schlagzeuge. Er passt bequem in eine Aktentasche, ist zuverlässig und lernfähig. Er hat allerdings so wenig eigene Ideen. Trotzdem ist er uns im Moment eine wertvolle Arrangier-Hilfe geworden.


Habt ihr zwischenzeitlich an Auflösung der Band gedacht? Gäbe es Alternativen für einzelne Musiker von Euch? Wie steht die Band jetzt in dieser heiklen Phase zueinander?

Ja natürlich gab es auch zwischenzeitlich Gedanken an Auflösung der Band. Zum Glück nur für kurze Zeit. Wir übrigen drei sind weiterhin fest entschlossen, weiter zu machen mit Krabat. Ob es Alternativen gäbe für einzelne von uns? Ja und nein. Jeder von uns hat vor Krabat schon unterschiedliche Musik gemacht und könnte dies sicherlich auch nach Krabat tun. Aber das wäre für uns alle nur die zweitbeste Lösung.


"22" überzeugte v.a. durch eine konsequente Umsetzung eures Konzepts der "Band ohne Keyboards" - in welche Richtung glaubt ihr, dass sich euer Sound weiterentwickeln wird?

Das mit dem Konzept der "Band ohne Keyboard" haben wir schon mehrmals gehört. Wir sehen das eigentlich gar nicht als Konzept. Wir haben halt mehr oder weniger zufällig keinen Keyboarder und haben uns damit ganz gut arrangieren können. Am Anfang haben wir sogar ernsthaft nach weiteren Musikern gesucht, da hätten wir auch fast eine Trompeterin oder eine Cellospielerin in die Band bekommen. Schließlich haben wir unser Klangspektrum erweitert, indem die Querflöte und die zweite E-Gitarre dazu kam. Einen Keyboarder haben wir eigentlich nie vermisst, obwohl hin und wieder ein Mellotron natürlich toll wäre. Aber finde erst mal jemanden, der so ein Ding hat. Wie sich unser Sound weiter entwickeln wird, hängt zu einem guten Teil sicherlich davon ab, ob und wann wir einen Drummer finden und welche Vorlieben dieser haben wird. Das steht heute also aus unserer Sicht in den Sternen.


Wird es einen Nachfolger für "22" geben und wie lange müssen wir darauf warten?

Hoffentlich ja. Wir haben im Moment halbfertiges Material für etwa eine halbe CD. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn daraus nicht auch eine ganze CD wird. Zu dem Zeitpunkt können wir Dir natürlich nichts genaues sagen. Zwischen der ersten und der zweiten CD von Krabat sind immerhin drei Jahre vergangen, ohne dass wir einen neuen Schlagzeuger suchen mussten, vielleicht geht es jetzt aber auch schneller, wer kann das wissen?!


Sal Pichireddu © Progressive Newsletter 2001