Interview
(Progressive Newsletter Nr.39 03/02)
Ausschnitte eines Interviews mit Wolfgang Hierl (Gitarre, Flöte, Keyboards, Gesang) und Erich Kogler (Bass, Gesang)
Erich: Nachdem wir in das "There" Album recht viel Zeit und Mühe gesteckt hatten war es bei allen wieder an der Zeit das Leben "außerhalb" von High Wheel zu regeln: Alle vier haben also brav ihr Studium abgeschlossen und mehr oder weniger erfolgreich den Sprung ins Berufsleben vollzogen. Lustigerweise macht eigentlich jeder jetzt das Gleiche wie vorher - nur mit mehr Zeitaufwand und für mehr Geld - na ja, hauptsächlich mehr Zeit... Ausserdem waren wir nach der 3.CD nicht nur pleite, sondern finanziell komplett im Jenseits... und da wir jetzt nach fast 5 Jahren annähernd wieder auf Null waren stand einer neuen Verschuldung, d.h. CD-Produktion, nichts mehr im Weg. Zuguterletzt manage ich jetzt die Band selber, was sich nicht unbedingt beschleunigend auf die Produktion ausgewirkt hat ... aber ich arbeite mit Hochdruck daran.
Welches Konzept bzw. Idee steckt hinter "Back from the void" und gibt es eine inhaltliche Fortführung bzw Verbindung zum Vorgänger "There"?
Wolfgang: Die ursprüngliche Idee war, für die Band, die sich bei "There" in sehr entlegene Bereiche außerhalb des uns bekannten Universums vorgewagt hatte, einen Weg zurück ins Diesseits zu finden. Nach einem 75-minütigen Konzeptalbum, das sich meist mit sehr abgehobenen Themen beschäftigt, ist der Weg wieder nach Hause natürlich weit. Der Titel "Back from the void" bezieht sich also schon zu einem gewissen Teil auf die Vorgängerscheibe. Inhaltlich geht es hier jedoch um völlig andere Sachen, denn die Handlung von "There" ist für mich in jedem Fall abgeschlossen, und ich denke nicht, dass es in Zukunft etwa ein "Into voyage 2" geben wird.

Das über 30-minütige "Blind Archer" ist quasi das Kernstück der CD. Was für eine Geschichte steckt hinter dem Titel? Habt ihr das Stück schon jemals am Stück gespielt oder enstanden die Einzelteile aus verschiedenen Ideen erst im Studio?
Wolfgang: "Blind Archer" erzählt die Geschichte des Weltuntergangs. Im Gegensatz zu den meisten Kinofilmen steht aber diese Katastrophe am Anfang des Stücks und geht verhältnismäßig schnell vorüber. Interessant wird es eigentlich erst hinterher, denn ein kleines Grüppchen überlebt natürlich dank einiger para-kosmologischer Tricks und macht sich daran, den Drahtzieher, der einfach in Vogonen-Manier das Universum ausmistet, zur Rechenschaft zu ziehen. Dieser Bösewicht ist natürlich kein anderer als unser "Blind Archer", eine Art Wächter über die Schöpfung, der für die Harmonie im Universum verantwortlich ist. Nachdem unsere Helden diesen Wächter/Schöpfer zur Strecke gebracht haben, machen sie sich selbst daran, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen und aus den unendlichen Möglichkeiten eine neue Welt zu schaffen. Doch das Schicksal ist nicht immer freundlich, deshalb gehen im Laufe der Äonen alle zugrunde bis auf einen, der am Ende seines Weges feststellt, dass er nun zu dem geworden ist, was er zu Beginn mit seinem Haß und seiner Wut bekämpft hat: er ist der neue "Archer", dazu verdammt, einsam darauf zu warten, dass die nächste Generation ihn absetzt... Soweit ein kurzer, sehr lückenhafter Handlungsabriß, der aber zumindest grob Einblick in die Idee von "Blind Archer" gibt. Das Stück haben wir erst nach Fertigstellung der CD live gespielt, zuvor bestand es aus vielen einzelnen Fragmenten, die erst im Studio zusammengefügt und endgültig fertiggestellt wurden. Live mussten wir dann einiges umarrangieren, da z.B. bei "Man on the cloud" die Violinistin Pia Horn spielt, außerdem unser Erich am Kontrabaß, was sich live jedoch nicht umsetzen lässt, da man kaum erwarten kann, dass eine Musikerin wie Pia wegen eines 3-Minuten-Liedes zu einem Auftritt anreist, v.a. bei den bekanntermaßen gigantischen Gagen im Prog-Bereich.
Musikalisch wirkt "Back from the void" auf mich schwerer, dunkler, zum Teil härter, als die Vorgänger. Gibt es einen Grund für die düstere Grundstimmung, die komplexeren Ansätze?
Wolfgang: Schau aus dem Fenster und du siehst, woher die düsteren Einflüsse kommen. Musik ist für mich auch immer Spiegel der Zeit und der Gesellschaft, und da kann man sogar froh sein, dass überhaupt noch Dur-Akkorde auf dem Album vorkommen. Darüber hinaus kommen Erich und ich ursprünglich aus der sehr harten Ecke, was nun wieder ein wenig mehr zur Geltung kommt. Komplex wird die Musik von ganz alleine, wenn man lange Stücke aufnimmt, die nicht nur eine Aneinanderreihung von Teilen sind, sondern in denen verschiedene Themen wieder in neuer Form aufgegriffen werden, wie z.B. bei "The Screamer".
In wie weit lasst ihr euch von der Meinung anderer auf eurem eigenen musikalischen Weg beeinflussen oder zieht ihr konsequent eure eigene Linie durch?
Wolfgang: Wir haben erkannt, dass es für den Erfolg der Band ziemlich egal ist, welche Musik man spielt. Manche finden sie toll, manche finden sie unerträglich. Wenn man progressive - was immer das heutzutage noch heißt! - Musik macht, gibt es kein großes Geld zu verdienen, nicht einmal, wenn man solche Konglomerate wie "Transatlantic" gründet, deren Umsätze wahrscheinlich nicht einmal reichen würden, um Britney Spears Fanpost zu beantworten. Wenn man hier auch noch auf großen Erfolg schielt, kann man gleich in ein anderes Genre wechseln, nachdem man sich die Verkaufszahlen selbst der "großen" Bands ansieht. Deshalb spielen wir was uns gefällt, der Maßstab dafür, was auf eine CD kommt, ist unser Geschmack und wir lassen uns da nicht hineinreden. Deshalb produzieren wir unsere Alben ja auch selbst.


Ein Teil von Euch spielt "hauptberuflich" stilistisch ganz andere Musik. Wie schwierig ist es immer wieder zu der doch wesentlich anspruchsvolleren Musik High Wheel zurückzukehren und umzuschalten?
Wolfgang: So groß ist der Unterschied zwischen den einzelnen Bands für mich nicht, denn mit "Trouble Boys" spielen wir ja auch Rock und nicht etwa Tanzmusik. Da wird auch viel herumimprovisiert und ein Lied kann schon mal an die 10 Minuten dauern. Die größte Umstellung ist für mich, dass ich bei High Wheel die meiste Zeit singen und gleichzeitig ziemlich komische Sachen auf der Gitarre spielen muss.
Erich: Für mich ist High Wheel so eine Art musikalische Königsdisziplin - da kommt irgendwie alles zusammen, technisch und musikalisch. Aber von zurückkehren und umschalten würde ich nicht sprechen - man sollte ja jede Art Musik möglichst gut erledigen. Und bei einer Beethoven Sinfonie fühle ich mich auch nicht direkt unterfordert.
Gibt es neben eurer CD Präsentation noch weitere Planung für weitere Konzerte in der nächsten Zukunft?
Erich: Noch nichts konkretes, leider. Mit einer Band abseits der gängigen Formate vernünftige Auftritte zu bekommen ist immer noch ziemlich schwer, das wissen alle die sich mit derartiger Musik beschäftigen. Und da schon rein optisch RTL Popstars für uns flachfällt, werden wir wie fast alle auf lange Sicht versuchen müssen, uns unseren Fankreis zu erspielen und zu erweitern. Dass das auch mit Prog laufen kann machen Bands wie Spock's Beard ja gerade vor. Die hatten vor 5 Jahren in München auch noch keine 600 Zuschauer, und es werden stetig mehr - und auch mit Recht! Auf alle Fälle sind wir verschärft auf der Suche nach Auftrittsmöglichkeiten; wenn da irgendwer unter den Lesern was weiß, nur her damit !!
Was ist eigentlich aus der Idee geworden, die Musik von High Wheel mit klassischem Orchester umzusetzen?
Wolfgang: Die Idee mit dem Orchester gab es tatsächlich einmal, aber so wie es im Augenblick aussieht, wird das für immer unbezahlbar bleiben. Außerdem gibt es ja bereits genügend Negativ-Beispiele für Bands, die das gemacht haben. Auch ein pseudo-klassisches Gewand macht z.B. aus einem "I´ve seen all good people" noch keine Eroica von Beethoven. Da müsste meiner Meinung nach schon viel mehr passieren, um einen solchen Aufwand zu rechtfertigen. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob sich das Ergebnis irgendjemand anhören würde, deshalb lassen wir wohl lieber die Kirche im Dorf bzw. die Violinen im Orchester und die Gitarre in der Band. Unser Weg wird eher bleiben, dass wir kurze Teile quasi kammermusikalisch mit einzelnen klassischen Instrumenten gestalten bzw. ergänzen. Das ist meiner Meinung nach ein guter Kompromiss, der den größten Teil unserer Songs damit auch für uns live spielbar macht, denn ein Orchester mit auf Tour zu nehmen konnten sich nicht einmal ELP wirklich leisten.
Kristian Selm © Progressive Newsletter 2002