Interview
(Progressive Newsletter Nr.59 05/07)
Ausschnitte eines Interviews mit Erich Kogler (Bass, Gesang)
Das war eigentlich das größte Problem. Wir haben uns ganz demokratisch an die Sache herangemacht, jeder hat seine Favoriten vorgeschlagen und wir haben dann diskutiert. Dummerweise finden alle in der Band fast alle Lieder gut, weshalb dann vieles rausfliegen musste weil wir ja schlecht über 4 Stunden live spielen künnen. Zusätzlich haben wir dann noch versucht dass alle vier CDs einigermaßen gleichmäßig vertreten sind, zum einen weil gerade bei den älteren Stücken einige Veränderungen vorgenommen wurden, zum anderen weil ja zum Zeitpunkt der Aufnahme eine Re-release der ersten 3 Alben in den Sternen stand. Entscheidend waren letztlich dann die Proben für den Auftritt, weil da plötzlich noch ganz andere Kriterien dazukommen wie „das geht nicht hintereinander, da brauch Zeit zum Gitarre wechseln“, „ich schlepp doch nicht wegen einem Geräuscherl mein Taurus Pedal mit“ u.a. Außerdem kann man gesanglich wie instrumental nicht 2 ½ Stunden volles Rohr fahren, da muss man etwas einteilen. Und schließlich will man das Publikum auch nicht „überfahren“.
Verbirgt sich hinter dem Albumtitel ein programmatischer Titel?
Der Titel bezieht sich einerseits auf die Tatsache dass wir zu dem Zeitpunkt schon wussten dass wir eine der letzten Bands sein werden die in der von uns geliebten „Kantn“ auftreten. Dazu später mehr. Zum anderen spiegelt der Titel für mich das typische Gefühl – besonders vor High Wheel Auftritten - wieder, sich kurz vor einem Sturm zu befinden, wenn man weiß dass etwas auf einen zukommt oder gleich was losgeht usw. So ein Gefühl wie wenn man am Sprung ist und noch nicht sagen kann wohin man eigentlich springt … zusammengefasst die innere Unruhe die einen dann und wann befällt – sowohl positiv als auch negativ.
Wurden irgendwelche Veränderungen beim Material von „Live before the storm“ vorgenommen oder ist das Album wirklich komplett live, sprich bekommt man genau dass zu hören, was ihr damals beim Auftritt gespielt habt?
Jein. Da wir leider keine Möglichkeit hatten z.B. eine komplette Tour aufzunehmen und dann auszuwählen haben wir die ganze Woche vorm Auftritt in der Kantn geprobt und dann sozusagen die Generalprobe am Tag vorher als Backup mitgeschnitten. Damit haben wir ein wenig repariert, weil wenn’s auch keine großen Schnitzer waren, find ich’s einfach besser wenn’s ganz richtig ist. Mich persönlich stören Fehler wahnsinnig, ich fänd’s sehr schade wenn bei einer an sich genialen Version eines Songs z.B. ein falscher Basston ist. Live ist der zwar gleich wieder vorbei, aber bei einer CD arbeitet man ja quasi für die Ewigkeit. Stark gekürzt haben wir die Ansagen. Einerseits aus Platzmangel, andererseits sind die im Nachhinein nur für Leute interessant, die da waren. Und da wir die meisten CDs außerhalb des deutschsprachigen Raumes verkaufen hätt’s eh wenig Sinn gehabt.
Einige Titel, wie z.B. „There“ oder „Outside the circles“ haben sich über die Jahre ziemlich verändert. Wie wichtig ist es für euch Titel weiterzuentwickeln bzw. sie auch für euch interessant zu halten?
Das ergibt sich meistens ganz von alleine, dass sich Sachen verändern mit denen man sich beschäftigt. „There“ wurde 1996, „Outside the circles“ 1993 aufgenommen. Das ist also 11 bzw. 13 Jahre her … Es gibt viele Sachen die ich heute anders spielen würde, und deswegen mache ich es dann auch einfach. Schließlich sind wir ja keine High Wheel Cover Band. Das stört mich auch bei vielen bekannten Bands - sich selber exakt wie auf Platte nachzuspielen ist keine große Kunst. Allerdings haben wir auch nicht das Problem dass unser Publikum genau die Version von der ´77er live Platte haben will… Bei „There“ z.B. ist der verlängerte Zwischenteil einfach beim Proben zustande gekommen, weil wir alle fanden dass dieser Teil viel zu schade ist um nur eine Minute lang zu sein.

Auf eurer Website wird das aktuelle Album schlicht und einfach mit “Played with fun and passion“ beworben. Wie wichtig sind euch diese beiden Teilaspekte?
Erstens klingt der Spruch einfach lustig, so ein bisschen nach Fernsehwerbung. Aber an sich geht’s bei Auftritten vor Publikum genau darum. Spaß am spielen haben und mit Leidenschaft dabei sein. Warum soll ich mich auf eine Bühne stellen wenn ich keine Lust dazu habe? Spaß, weil wir den trotz allem auch dann haben, wenn wir 8 Stunden nach Verviers fahren und dann vor 15 Leuten spielen. Leidenschaft weil das schließlich unsere Musik ist.
Wie kam es zum Kontakt mit eurem neuen Label Progress Records?
Da sind wir einfach so reingerutscht… Nach der Anfrageaktion zur „Void“ haben wir beschlossen dass uns alle Labels an einer ganz bestimmten Stelle können, weswegen wir uns mit der neuen Platte erst gar nicht um eines bemüht hatten. Mit Progress Records waren wir allerdings schon länger in Kontakt, weil die unsere CDs vertrieben haben. Ich wusste gar nicht dass die auch ein Label sind. Jedenfalls wollten die immer unsere alten Platten auch haben, und da wir immer gesagt haben „sorry - die sind vergriffen“, haben sie uns schließlich angeboten sie gleich selber aufzulegen. Auch weil sie unser Management (also mich) schon zur Genüge kannten („upps – habe ich vergessen, schick ich morgen“), weshalb Hansi (von P.R.) meinte es wäre für ihn und uns viel entspannter, wenn wir ihn als Label hätten. Ausschlaggebend für uns war dass die Jungs echt nette und kompetente Kerle sind, und dass wir die Kohle eh nicht aufgetrieben hätten um die ersten 3 Alben wiederzubeleben.
Werden auf den Reissues eurer Studioalben auch Bonustitel enthalten sein und welche "kosmetischen" Klangkorrekturen wurden vorgenommen?
Da wir im Studio immer schon recht ziel gerichtet arbeiten mussten, gibt es von der Seite kein übriges Material. Und die Aufnahmen die wir früher live gemacht haben, sind einfach qualitativ zu schlecht um auf eine CD zu kommen. Außerdem sind die CDs relativ geschlossene Geschichten, da würden mich jetzt zusätzliche Gimmicks wie „Bonustrack: High Wheel beim Proben spielen Day Tripper in schlecht und lachen dann herzlich drüber“ ziemlich nerven. Außerdem geht’s ja nicht darum durch irgendwelche Spielereien allen Leuten die die Platten schon haben noch mal das Geld aus der Tasche zu ziehen. Vielmehr haben wir entschieden, wenn wir schon die CDs wieder auflegen dann machen wir’s z.B. beim Artwork oder beim Mastering so wie wir’s schon immer haben wollten … aber es uns erst jetzt leisten können. Wenn jemand jetzt alle CD noch mal kauft, sind aber auch nicht traurig…
Netterweise wurde der Club „Kant’n“, in dem eurer Livealbum mitgeschnitten wurde, kurz danach dem Erdboden gleichmacht bzw. musste einem Parkplatz weichen. Welche Möglichkeiten gibt es jetzt überhaupt noch für euch in eurer Gegend aufzutreten?
Das ist ein ziemlich heißes Eisen. Die ganze Geschichte würde eine Sonderausgabe vom PNL benötigen, daher will ich nur soviel sagen: Kultur und insbesondere Jugendkultur haben in der Kommunalpolitik keinen Platz, wenn ein Weltmeister und Doppelolympiasieger einen Parkplatz für sein Bauernhof- und Wintersportmuseum braucht. Dafür wird dann eine Lokalität plattgemacht, die sowohl eine Art inoffizielles Jugendheim unter der Woche bzw. ein angesagter Live Club am Wochenende war. Gerade den jüngeren Bands ist damit der Boden entzogen, es gibt tatsächlich keine Möglichkeit mehr aufzutreten im gesamten Landkreis, wenn man nicht einen 200er Saal mieten müchte oder kann.
Kristian Selm © Progressive Newsletter 2007