Interview
(Progressive Newsletter Nr.67 12/09)
Ausschnitte eines Interviews mit Frank Bornemann (Gitarre, Gesang)
Es war eigentlich nur ein Grund, und dieser Grund waren die Eloy Fans, die unermüdlich und mit viel Engagement dafür sorgen, dass der Name der Band und ihre Musik nicht in Vergessenheit gerät. Vor allem im Internet wird das sichtbar, wo unsere, zumeist auch internationalen Fans auf allen denkbaren Portalen präsent sind und ins Netzt stellen, was nur irgendwie von der Band verfügbar ist. Hinzu kommt, dass noch immer ständig Fanpost eingeht, die an uns appelliert, doch noch mal etwas zu machen. So was geht schon unter die Haut.
Verlief dieses Album in seiner Realisierung vor allem nach einem recht stressfreien "Lust & Laune" Prinzip oder stecke auch ein Druck von außen dahinter?
Einen Druck gab es überhaupt nicht. Wer sollte auch von außen Druck auf uns ausüben? Allerdings gestaltete sich die Realisierung des Albums nicht ganz unproblematisch, denn für alle war klar, dass mit dem Album "Ocean 2 - The answer", das Kapitel Eloy abgeschlossen werden sollte. Als ich dann 11 Jahre danach die Jungs kontaktete und ihnen schilderte, weshalb wir noch mal antreten sollten, waren zwar alle einverstanden, doch es gab erhebliche Abkömmlichkeitsprobleme. Nicht allein, dass wir alle an weit von einander entfernten Orten lebten, es hatte auch jeder sich eine eigene Existenz aufgebaut, die ihn entsprechend in Anspruch nahm. Also mussten wir es in diversen Etappen bewerkstelligen, bei denen nicht immer alle anwesend waren, sondern oftmals nur der oder diejenigen, die gerade für bestimmte Recordings gebraucht wurden. Drei Monate oder mehr an einem Stück zu arbeiten, wie früher, dass war dadurch nicht möglich. Umso mehr war ich als Autor der Songs, Arrangeur und Produzent in Personalunion, und zudem auch noch Gitarrist und Sänger der Band, gefordert. Insgesamt hatte es für mich rund 9 Monate gedauert, bis es wirklich fertig war.
Was war Dein eigener Anspruch für die Aufnahmen und Produktion von "Visionary"?
Zunächst einmal wollte ich ein Album machen, welches die Eloy-Fans auf keinen Fall enttäuscht und den Spirit der Band zu 100% rüberbringt. Da wir in unserer langen Bandgeschichte verschiedene Line Ups hatten, wollte ich dabei auch unterschiedliche Epochen reflektieren und das Ganze in einen Sound kleiden, der eher "vintage", also warm und analog klingt. Vor allem war mir daran gelegen, viel Dynamik zu erhalten, die heute vielen Produktionen abgeht, die häufig nur laut, schrill und penetrant klingen. Inhaltlich war mir wichtig, dass die Gedanken, die den Texten zugrunde liegen, auch wirklich den Zuhörer erreichen. Dabei habe ich mir, wie immer, für den finalen Schliff der englischen Texte kompetenten Support aus England geholt, auch wenn letztlich alles aus meiner Feder stammt. Nichts ist schlimmer, als Dictionary Lyrics und schlechte englische Poetry.
Steckt ein tieferer Grund hinter dem Eigenzitat von "Time to turn" bei "The challenge"?
Ja! Als wir "Time to turn" 1982 aufnahmen, war dieser Song eine direkte Reflektion auf den Zeitgeist der frühen 80 ziger Jahre. Heute, viele Jahre später, sollte es das wieder sein, allerdings mit engem Bezug auf die Jetztzeit. Musikalisch ist nur die Refrainmelodie geblieben, der Rest ist anders, dennoch ist der Zusammenhang mit Teil 1 klar erkennbar.

Kannst Du kurz umreißen, was auf der bereits angekündigten DVD enthalten sein wird?
Auf der Eloy "Legacy Box" werden Livemitschnitte (Ton und Bild), Videoclips, TV-Auftritte und Interviews mit vielen Bandmitgliedern der unterschiedlichen Formationen zu sehen und zu hören sein. Eine Retrospektive der Band in Bild und Ton.
Warum dauerte es relativ lange, die DVD zusammenzustellen?
Zunächst musste das ganze Bildmaterial zusammengetragen werden, was ja nicht ganz einfach war, da es nicht allzu viel gibt. Teilweise lagen die Rechte daran bei TV-Anstalten und mussten für die Nutzung auf DVD lizensiert werden. Des weiteren sollten möglichst viele Eloy-Mitglieder zu Wort kommen und mussten für die Interviews anreisen, da sie in alle Welt verstreut heute leben. So was braucht Zeit, ebenso die aufwändige visuelle Gestaltung der gesamten DVD. Das ist noch weit aufwändiger, als ein Album zu machen.
War es eigentlich nur ein Zufall, dass die bevorstehende DVD Veröffentlichung fast zeitgleich mit dem neuen Album zusammenfiel?
Eigentlich nicht, aber es lag nahe, dass es nicht nur wieder "altes Material" geben kann. Solche Fans, wie wir sie haben, und auf die wir wirklich sehr stolz sind, verdienen mehr. Da die Idee mit dem Album fast zeitgleich entstand, liegen nun auch die VÖs von beiden Produkten etwas näher bei einander, als anfangs angenommen. Das Album aufzunehmen, dauerte doch etwas länger, als zunächst geplant war.
Betrachtest Du es als Glück, dass ihr vor allem in den 70ern und 80ern aktiv wart und ihr damit eure Erfolge in einem anderen Medienumfeld wie heute feiern konntet, da es heutzutage für eine Band für Eloy sicherlich ungleich schwerer wäre?
Na ja, dass mit dem Glück ist zweischneidig zu sehen. Ein Vorteil der siebziger Jahre war sicherlich, dass man als Band Zeit hatte, sich zu entwickeln und sich musikalisch entfalten konnte, da es noch nicht diesen albernen Singlewahn gab, der dann in den achtziger Jahren einsetzte. Es kam mehr auf das Artistprofil und die künstlerische Substanz an. Bands wie Pink Floyd, Yes, Deep Purple oder Jethro Tull fragte keiner nach Singles, da ein mündiger Musikfan sich dafür nicht interessierte, sondern von einer Band verlangte, dass sie ihn mit interessanter Musik und einem tollen Sound begeisterte, die sich nur selten mit der Banalität profaner Radiomusik vereinbaren ließ. Das waren zwei völlig getrennte Paar Schuhe. Auf der einen Seite war das Radio, auf der anderen die Musikfans, die nach anderen Kriterien ihre Musik auswählten. Natürlich gab es auch gelegentliche Hits von den zuvor genannten Bands, die nicht für die Singlecharts produzierten, und eine solche Musikkultur kam uns natürlich entgegen und spornte unseren Anspruch an. In den achtziger Jahren begann dann dieser verblödende Singlewahn mit diesen, oft albernen Videos im TV und es war der Musikindustrie nur noch wichtig, dass eine oder möglichst mehrere radiokompatible Singles auf einem Album waren, für die dann teure und aufgeblasene Videos gedreht wurden, die oft von der blutarmen und billigen Musik ablenkten. Man meinte damals, dass ein Single-Hit Albumverkäufe generiert und man nur genug Präsenz im TV und im Radio haben musste, um dann auch das dazugehörige Album, auf dem sich zumeist, neben dem "Hit" nur musikalisches Füllmaterial befand, sich von allein verkauft. Das war dann der Anfang vom Ende einer bis dahin spannenden Musikkultur. Wir kamen von einer Artist dominierten Musikkultur in eine Titel dominierte Musikkultur, bei der die Künstler mit einem Hit kamen und auch rasch wieder verschwanden. In so einem Klima kann man sich als ambitionierter Künstler kaum wohl fühlen. Der traurige Nebeneffekt war schließlich, dass echte Profilkünstler immer weniger entstanden, in den Medien gar nicht mehr stattfanden, und somit zunehmend aus der Wahrnehmung verschwanden. Erst jetzt zeichnet sich wieder ganz zart eine Trendwende ab, die sich aber erst durch neue Strukturen im Musikbusiness durchsetzen muss. Der Klamauk mit diesen Castingshows wird irgendwann enden und wir werden wieder Band und Künstler haben, deren Verfalldatum nicht schon beim ersten Auftritt programmiert ist.

Freust Du dich über das immer noch vorhandene Interesse an Eloy bzw. ist dies vielleicht auch ein Antrieb für dich weiterzumachen?
Ich freue mich wirklich immens über dieses, scheinbar unendliche Interesse an Eloy. Es ist sicherlich der Traum und innerste Wunsch jedes Musikers, dass sein Werk nachwirkt. Keine goldene Schallplatte oder Hit kann das aufwiegen, was uns da entgegengebracht wird. Dagegen sind meine goldenen Schallplatten an der Wand bedeutungslos. Selbstverständlich ist es auch ein Ansporn für mich, musikalisch jetzt nicht aufzuhören, denn ich möchte die Fans gern noch mal überraschen und noch einen drauflegen.
Ärgern Dich heute noch negative Kritiken aus der Vergangenheit oder wird man diesbezüglich auch mit dem Alter etwas gelassener?
Gegen diese Dummschwätzerei, die übrigens in den siebziger und achtziger Jahren ausschließlich aus Deutschland kam, bin ich längst immun. Es ist allerdings im Rückblick erstaunlich, dass man damals eine Band mit solchen Hasstiraden überschüttet hat und mit derart üblen Methoden möglichst vernichten wollte, weil man ihr ihren Erfolg nicht gönnte. Das war die Schattenseite einer Zeit, in der, vor allem im damals noch wichtigen Printbereich, viele gescheiterte Musiker als Schreiber verschiedener Magazine, ihren Frust dadurch abreagierten, indem sie auf erfolgreiche deutsche Bands in rüdester Weise herumknüppelten. Ich bin froh, dass wir heute einen vergleichsweise wesentlich kompetenteren und respektvolleren Journalismus betreiben, zumindest, soweit es die Sparte Musik betrifft.
Gibt es Neuigkeiten bezüglich der Realisierung des Projektes "Jeanne d'Arc"?
Das wird die allergrößte Herausforderung, der ich mich je gestellt habe!!! Da werde ich alles hineinlegen, was ich zu geben vermag. Dieses gewaltige Werk braucht natürlich Zeit, soll und wird aber alles Bisherige in den Schatten stellen, soviel verspreche ich! Natürlich werde ich auch dafür einige Eloy-Kollegen ansprechen.
War es das nun leider endgültig mit Eloy oder sind noch weitere Aktivitäten für die Zukunft geplant?
Wir sehen ja nun an "Visionary", dass man nicht nur für sich allein planen kann. Ich lasse das jetzt erstmal alles auf mich zukommen und sage nicht, dass es das jetzt war. Eloy ist nicht nur eine Band. Mit Blick auf die Fans muss man fast sagen, wir sind so was wie eine Familie. Entsprechend sensibel gehe ich auch damit um und hoffe jetzt sehr, dass kein Eloy-Fan von diesem Album enttäuscht wird.
Kristian Selm © Progressive Newsletter 2009