Interview


(Progressive Newsletter Nr.44 05/03)
Ausschnitte eines Interviews mit Frank Bornemann (Gitarre, Gesang)


Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass "Timeless passages" kurz vor dem Start der Veröffentlichung von weiteren remasterten Eloy Alben erscheint. Inwieweit bist du in den Remastering Prozess und den Zeitplan der Veröffentlichungen eingebunden?

In den Zeitplan der Veröfentlichung bin ich nicht eingebunden. Es liegt allein in den Händen der Rekordcompany, zu welchem Zeitpunkt jeweils welches Album veröffentlicht wird. Da es offensichtlich noch immer ausreichend Nachfrage für den Eloy-Katalog gibt, werden somit auch sämtliche Alben immer wieder neu, und im Sound aktualisiert, veröffentlicht. „Timeless passages" ist eine Idee des Produkt-Managers Gerd Gliniorz von unserer früheren Plattenfirma EMI, der mit einem ähnlichen Compilation-Project von Pink Floyd enormen Erfolg hatte. Auch auf der Pink Floyd Floyd Compilation "Echoes" gehen die Mehrzahl der Songs ineinander über, um so eine große geschlossene Atmosphäre für das gesamte Werk zu schaffen. Sicherlich wird "Timeless passages" keinen Goldstatus wie das Pink Floyd Doppelalbum erreichen, dennoch ist es sicherlich von der gesamten Aufmachung her das eindrucksvollste Compilation-Album bisher überhaupt, zumal auch Titel drauf sind, die bei anderen Companys zuvor erschienen waren. Man hat sich mit dieser Compilation wirklich enorme Mühe gemacht und ein attraktives Sammlerstück kreiert.


Was wird auf den remasterten Versionen als Bonusmaterial enthalten sein bzw. was gibt es für sonstige Überraschungen?

Da es von Eloy eigentlich keine unveröffentlichten Titel gibt, stehe ich dieser Frage ratlos gegenüber. Ich habe keine Ahnung, was die Recordcompany machen wird, abgesehen von einem aktualisierten Sound und einer sicherlich erneut wertigen Aufmachung.


Nach "Chronicles I+II" und "The best of Eloy" bietet "Timeless passages" erstmals auf einem Doppelalbum einen Komplettüberblick über die Eloy Historie. Wie schwierig war es, die entsprechenden Titel für "Timeless passages" auszuwählen bzw. die passenden übergänge zu kreieren?

Wenn man so viele Alben gemacht hat, fällt es besonders schwer eine Auswahl zu treffen. Bei "Timeless passages" habe ich daher die Auswahl zum großen Teil einem anderen überlassen, der Freund und Fan der Band zugleich ist, und sicherlich für die Mehrheit der Fangemeinde sprechen kann, nämlich Michael Narten, welcher auch das Cover und das gesamte Artwork für dieses Projekt entwickelt und gestaltet hat. Zum Glück deckte sich seine Wunschauswahl weitgehendst mit dem, was ich selbst auch für relevant halte, auch wenn in einzelnen Fällen meine Auswahl vielleicht etwas anders ausgefallen wäre. Wenn aber jemand, welcher der Band so nahe steht wie Michael Narten, so eine Compilation aufstellt, dann sollte man aus Gründen der Geschlossenheit diese Vision nicht unnötig auf den Kopf stellen. Hinzu kommt, dass er auch beim Zusammenschneiden und überblenden der Stücke selbst aktiv war, und nur in besonderen Fällen meiner Unterstützung bedurfte. überblendungen lassen sich nicht in allen Fällen aus Gründen der unterschiedlichen Tonalität der Songs so ohne weiteres machen, so dass man sich in den Harmonien und auch der Struktur der Musik schon intensiv auskennen musste, um später ein entsprechendes Ergebnis zu erreichen. Schlussendlich aber hat es gut geklappt.


Gibt es Pläne für eine neues Studioalbum und wenn ja, wird es wie bei "Ocean 2" ebenfalls eine Verbindung zur Vergangenheit geben?

Eloy ist definitiv als Band nicht mehr aktiv! Es hat zwar offiziell keine Auflösung der Band gegeben, doch gibt es eine stillschweigende übereinkunft, dass es in Zukunft keine weiteren Projekte mehr geben wird. Ich bin auch der Meinung, dass die Band künstlerisch in den 30 Jahren ihres Bestehens alles gesagt und umgesetzt hat, was im Rahmen von Eloy möglich war.


Damit ist es wohl ebenfalls endgültig, dass Eloy auch nicht mehr live spielen oder auf Tour gehen werden oder hängt dies von einem entsprechenden Angebot ab? Gerade aus dem Ausland, speziell aus übersee, besteht ja immer noch verstärktes Interesse.

Ja, es ist endgültig, das Eloy nicht mehr live spielen werden. Es wäre ein exorbitanter Aufwand, die Band für Live-Aktivitäten zusammen zu bringen, und eine angemessene Produktion auf die Beine zu stellen. Die Musiker sind mittlerweile in ganz Europa verteilt, haben eigene andere Projekte, und stehen somit nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung. Die räumliche Distanz ist auch ein Hindernis, dass die Band davon abhält, in Zukunft noch gemeinsame Musik so zu realisieren, wie es für die Band Eloy im Hinblick auf die Vergangenheit angemessen wäre. Was die Auslandsangebote anbelangt, so gibt es diese in der Tat, doch kommen sie leider ein bisschen spät. Der finanzielle Aspekt war für die Band im übrigen nie ein Grund, irgendetwas zu machen oder zu lassen. Es ist also völlig unerheblich, wie viel Geld uns geboten wird, weil Eloy-Musik für alle, die jemals daran beteiligt waren, nie eine Frage des Geldes gewesen ist. Vielleicht unterscheidet dies uns ja wirklich von vielen anderen Gruppen, die sich für einen gesunden Scheck selbst dann noch zu Aktivitäten hinreißen ließen, wenn sie sogar persönlich höchste Differenzen miteinander hatten und möglicherweise keinen Sinn für sich selbst in solchen Aktivitäten sahen.


"Ocean" erreichte 17 Jahre nach seiner Veröffentlichung Goldstatus. Haben inzwischen andere Alben die gleichen Verkaufszahlen erreicht und was ist die Erfolgsformel, die Eloy's Musik scheinbar zeitlos erscheinen lässt und sich immer noch verkauft?

Es ist richtig, das sich Eloy-Alben selbst heute noch in beträchtlichen Stückzahlen verkaufen, und es ist sicherlich der schönste Lohn für einen Musiker, wenn seine Musik scheinbar zeitlosen Zuspruch findet. Eine Erfolgsformel für eine solche Art von Zeitlosigkeit gibt es nicht, außer vielleicht "Authentizität". Damit meine ich, dass unsere Musik sicherlich weder austauschbar, noch durch etwas anderes ersetzbar ist. Es ist eine sehr individuelle Melange von musikalischen Visionen, die einen bestimmten Zeitgeist wiederspiegelt und den Zuhörer wohl auch stark berührt, weil er emotionales Investment, sowie die kreative Freiheit unserer Musik spürt. Ich kann mir vorstellen, dass es das ist, was Eloy-Musik irgendwie zeitlos macht. Es ist sicherlich richtig, dass auch nach "Ocean" noch andere Alben sich dem Gold- Status nähern, und wenn es möglicherweise schon bald weitere Edelmetall-Awards gibt, so freuen wir uns natürlich auch noch jetzt darüber.


© www.www.eloy-music.de

An welchen Projekten hast du in letzter Zeit gearbeitet?

Wie man, glaube ich, weiß, arbeite ich regelmäßig daran, junge Talente in Deutschland zu fördern und begabte Bands zu unterstützen. Meinen größten Wurf bei dieser Arbeit hatte ich sicherlich mit der Band "Guano Apes", die ja enorm erfolgreich sind, und dies nicht nur in Deutschland. Ansonsten plane ich ein größeres multimediales Werk zum Thema "Jeanne dŽArc", in welchem ich sowohl Orchester, als auch einen großen klassischen Chor, aber auch natürlich die klassische Rockmusikbesetzung einsetzen möchte. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, bei diesem Projekt mit einigen Kollegen von Eloy zusammen zu arbeiten. Dieses Werk ist allerdings eine äußerst komplexe und aufwendige Angelegenheit, die sich nicht in ein paar Wochen oder ein paar Monaten realisieren lässt. Ich habe mich da schon auf eine etwas längere Distanz eingestellt und hoffe, dass ich in diesem Jahr ernsthaft damit beginnen kann, dieses große Projekt umzusetzen.


In all den Jahren in denen du jetzt Musik machst und produzierst, was hat sich geändert, zum Positiven, wie auch zum Negativen?

In den vielen Jahren in denen ich nunmehr Teil der großen Maschinerie Musikbusiness bin, hat sich eine Menge geändert, und das meiste leider zum Negativen. Die Einstellung der Entertainmentindustrie, vornehmlich der Record Companys, zu Künstlern und Musik hat sich in dramatischer Weise negativ entwickelt. Der Künstler spielt, im Gegensatz zu früher, kaum noch eine Rolle, und wird mehr und mehr zur austauschbaren Marionette in den Händen der Vermarkter. Qualität spielt überhaupt keine Rolle mehr, es zählt lediglich eine rasche und möglichst hohe gewinnbringende Vermarktung, für die auch ein Verfalldatum des Produkts in Kauf genommen wird, welches immer kurzlebiger wird. Nach dem Motto "Stumpf ist Trumpf" wird der Konsument systematisch geschmacklich degeneriert und darf nur noch herunterschlucken, was ihm an drittklassiger kultureller Kost vorgekaut vorgesetzt wird. Es existiert überhaupt kein Interesse mehr daran, kreative Musiker und künstlerisch interessante oder innovative Talente konsequent und langfristig zu entwickeln und aufzubauen, und somit wachsen auch keine "Profilkünstler" und somit "Künstlerpersönlichkeiten" mit langfristiger Perspektive nach. Je mehr der kreative Nachwuchs diese Entwicklung wahrnimmt, je weniger wird er motiviert sein, sich für den Weg ins professionelle Musikentertainment zu entscheiden. Hätte es diese gegenwärtige "Repertoirepolitik" der Major-Industrie bereits vor 30 Jahren gegeben, so hätten wir die ganz großen Rocklegenden dieser Zeit nicht erlebt. Wenn heutzutage ein Künstler nicht gleich mit der ersten Single oder dem ersten Album entsprechenden Erfolg hat, bekommt er keine Chance auf weitere Veröffentlichungen. Dabei wird stets vergessen, wie viele Singles und Alben selbst die größten Rocklegenden benötigt haben, ehe sie zu dem wurden, was wir heute so bewundern und uns für das aktuelle Musikgeschehen zurückwünschen. Solche Appelle sind allerdings müßig, da sie von einer komplett desorientierten und häufig auch inkompetenten Musikindustrie nicht wahrgenommen oder verstanden werden.


Wie stehst du zum angeblichen "Musikkiller" Nr.1 dem Internet und MP3, sowie der allgemeinen Entwicklung der Musikszene?

Es ist kompletter Blödsinn anzunehmen, dass wir in Deutschland die katastrophale Rezession auf dem Tonträgermarkt ausschließlich dem Internet und MP3, oder irgendwelchen CD- Brennern zu verdanken haben. In anderen Ländern existieren dieselben Möglichkeiten, und die Musikindustrie befindet sich nicht in einem solchen desolaten Zustand. Dieser konzeptionellen Bankrotterklärung halte ich entgegen , dass Herbert Grönemeyer vom letzten Album mehr als 3 Millionen Einheiten in Deutschland verkauft hat. Auch internationale Künstler, wie z.B. Madonna, müssen sich nicht über rückläufige Verkaufszahlen ärgern, da ihre Fans nach wie vor die Originale kaufen, und die Schlauköpfe in der Musikindustrie sollten sich vielleicht mal die Frage stellen, warum? Wertigkeit unterliegt eben nicht dieser Verfallsregel und das Problem mit dem Kopieren gab es schon in den 70er Jahren, wo man Leerkassetten für wenig Geld kaufen konnte, und sicherlich auch viel überspielt wurde, ohne jedoch die Folge nach sich zu ziehen, dass der gesamte Tonträgermarkt zusammenbrach. Allerdings hatte Musik zu dieser Zeit einen ganz anderen kulturellen Stellenwert, und man ging wesentlich qualitätsbewusster mit dem Kulturgut Musik um. Heute, wo jeder Hanswurst mit einem Computer Platten macht, ohne irgendein Instrument auch nur ansatzweise spielen zu können, oder die geringsten musikalischen Kenntnisse zu besitzen, sollte man mal darüber nachdenken, wen und was man eigentlich heutzutage alles so glorifiziert. Mit Leuten die sich offensichtlich ihre Hose nicht richtig hochziehen können, ihre Mütze falsch herum aufsetzen und mit den Händen rumfuchteln, wobei sie irgendeinen grobverständlichen Text herunterblubbern, der von irgendeinen stumpfen Rhythmus oder eine zusammengesampelten Melodie begleitet wird, lässt sich nun einmal kein Stadion für ein Konzertevent füllen, noch weniger ist das der Stoff, welcher langfristig verkaufbare Musik für einen Katalog liefert, der eine Musikindustrie auch dann noch am Leben erhält, wenn ein aktueller Hit mal gerade nicht zur Stelle ist. Ich fürchte allerdings, dass es für eine Umkehr inzwischen fast zu spät ist, und dass die Musikindustrie auch durch noch so viele Fusionen auf Dauer nicht zu retten ist. Es ist vor allem für einen wie mich, schon sehr betrüblich mit anzusehen, dass die Beatles und Jimi Hendrix vielleicht am Ende umsonst gelebt haben.


Kristian Selm © Progressive Newsletter 2003