Interview


(Progressive Newsletter Nr.63 09/08)
Ausschnitte eines Interviews mit Torsten Wenzel (Gitarre)


Ist “Grave Human Genuine” so etwas wie die Essenz eurer Arbeit der letzten Monate bzw. Jahre oder gibt es im Nachhinein doch noch etwas, was ihr ändern würdet bzw. seid ihr vollständig zufrieden?

Ja, du hast es quasi auf den Punkt gebracht. Wir sehen es definitiv als eine Art Quintessenz der letzten Jahre bzw. aus dem gesamten Schaffen der Band. Das Album beinhaltet alles, was Dark Suns ausmacht...es ist düster, schwer, melancholisch und emotional. Da, wo „Swanlike“ vielleicht noch zu sehr als Klon diverser Bands gesehen wurde und „Existence“ hier und da noch etwas zu verspielt wirkt, haben wir uns auf „GHG“ davon frei gemacht. Wenn eine Platte fertig ist, dann ist man natürlich nie zu 100% zufrieden. Man sagt sich immer, dies und das hätte noch so oder so gemacht werden können. Ob das am Ende besser ist, weiß keiner. Wir sind mit „GHG“ sehr glücklich...für uns passt der Sound zur Stimmung der Platte und die Anordnung der Songs hätte für uns nicht besser sein können um diesen, wie wir meinen, homogenen Flow zu erhalten. Toll ist, dass das Album auch für uns noch nicht im Ansatz überhört wurde....und naja wir haben es doch schon ein bis zweimal gehört.


Inwieweit hatte die Mitarbeit von Kristoffer Gildenlöw Einfluss auf Euer aktuelles Album?

Die Arbeit Kristoffers hatte nicht wirklich einen Einfluss auf unsere Musik. Er war ja nicht am Songwriting beteiligt. Leider hatten wir bei den Bass-Aufnahmen nicht die Möglichkeit, ihn persönlich im Studio zu haben, sondern mussten den Weg des Internets nutzen, um die Spuren hin und her zu schicken. Sehr schade und suboptimal, aber es war logistisch und rein zeitlich einfach nicht machbar. Wir haben ihm unsere Bass-Spuren der Voraufnahmen geschickt, und er hat sich alles selbst herausgehört. Es war aber keine feste Vorgabe für ihn, sondern vielmehr eine harmonische Richtlinie. Die Arbeitsweise war auch für uns vollkommen neu, aber das Resultat ist super geworden! Nochmals vielen Dank an Kris!


Wie viel Zeit und Arbeit habt ihr insgesamt in dieses Album gesteckt?

Immens viel Arbeit und auch immens viel Zeit. Hahaha, naja die drei Jahre sprechen für sich, würde ich sagen. Wenn wir an das Songwriting herangehen, haben wir keine Zeitvorgabe...also wann wir fertig sein müssen oder sollten. Wir lassen auch keinen mit Absicht so lang warten. Die Arbeit am neuen Album hat sehr zügig angefangen und die ersten Ideen entstanden sehr schnell. Es war ne ganze Menge, die sich da angesammelt hat. Der Plan wurde sogar für ein Doppel-Album geschmiedet, was dann am Ende zum Glück verworfen wurde. Wir hatten definitiv genug Material dafür, haben uns dann aber entschieden, uns auf die Stärken zu konzentrieren und den Fokus fürs Wesentliche nicht zu verlieren. Oh ja, es war sehr viel Arbeit und auch die Nerven haben hier und da ganz schön gelitten.


Gibt es eine tiefere Bedeutung, die sich hinter dem Albumtitel „Grave Human Genuine“ verbirgt?

Die drei Worte stehen, wenn man es so will, für den Entstehungsprozess der letzten drei Jahre bzw. für die Band. „Grave” steht für die Ernsthaftigkeit, mit der wir an die Musik herangehen...also das, was aus unserem tiefen Inneren in die Musik einfliesst. Man kann es auch als kleinen erhobenen Zeigefinger in Richtung Vergnügungszwang unserer heutigen Zeit betrachten. Es ist nicht alles so, wie es scheint auf der Welt. „Human” steht sozusagen für die restlichen verbliebenen drei Bandmitglieder, aber auch für die menschliche Aura des Albums. Es sollte nicht steif und statisch klingen. „ Genuine” in seiner ureigenen Bedeutung, die Echtheit, das, was wir fühlen, wenn wir dieses Album hören!



Wie wichtig ist für Euch die atmosphärische Komponente, die Emotionalität eines Songs im Vergleich zu den technischen Finessen?

Das steht absolut an erster Stelle. Ein Song, der nur durch technisches Gefrickel brilliert, wird am Ende sehr schnell langweilig. Das ist im Prog-Sektor leider recht häufig der Fall. Meist sind es Songs, wo ein Gitarren-Solo das andere jagt und dann von den Keyboard-Soli abgelöst wird. Der Drummer zockt dir eins vor, dass du nicht mehr weißt, wo hinten und vorne ist. Was bleibt, ist am Ende ein offener Mund und nichts im Herzen. Bei allen Fähigkeiten sollte man nie die Melodie und das Gefühl vergessen...emotionale Tiefe ist das absolut Wichtigste. Ob man dann beim Hören weint oder vielleicht sogar lacht...das ist egal. Es muss berühren.


Gibt es bereits eine Idee, was mit dem zusätzlichen Material passieren wird, das während der Aufnahmen zu „Grave Human Genuine“ entstand?

Wir sind immer Verfechter von „Lasst uns von Null anfangen bei der nächsten Platte“. So wird es dann wahrscheinlich auch wieder sein. Es ist natürlich alles archiviert und wir könnten immer darauf zurückgreifen...naja, das wird’s wohl aber nicht geben. Tut manchmal richtig weh, wenn man es anhört...da sind noch so schöne Sachen dabei. Aber genau das ist der Punkt...mit freiem Kopf und neuen Inspirationen soll es an die nächste Platte gehen.


Wurdet ihr durch die Tourneen mit Pain Of Salvation auf irgendeine Weise beeinflusst?

Vor allem menschlich würde ich sagen. Es war eine wirklich magische Zeit und bleibt für uns alle absolut unvergessen. Wenn man als Support mitfährt, ist es absolut nicht selbstverständlich, dass man so toll aufgenommen wurde wie wir von Pain Of Salvation. Nein, nicht nur die Band, sondern auch die Fans. Unglaublich, was für liebe Menschen wir getroffen haben...egal, wo wir spielten. Die Zeit der Tour war mit allem gefüllt, was einen glücklich macht...wenn man dann „back to reality“ kommt, fällt man schon in eine Art tiefes Loch. Ob es nochmal eine Tour in dieser Form geben wird...man ist gespannt.


Fühlt ihr Euch eigentlich irgendeinem Genre (Progressive / Death / Doom Metal) zugehörig oder ist es letztendlich für Euch egal, in welche vermeintliche Schublade ihr gesteckt werdet?

Da wir selbst nie wissen, was wir als nächstes machen werden, kann man das recht schlecht. Kategorisiert wird man vom Hörer, den Magazinen oder dergleichen. Wir machen das nicht gern für unsere eigene Musik. Im Grunde ist es uns aber egal, in welche Schublade wir gesteckt werden...können wir eh nichts machen.


Kristian Selm © Progressive Newsletter 2008