Interview


(Progressive Newsletter Nr.58 02/07)
Ausschnitte eines Interviews mit Karlheinz Wallner(Gitarre)


Warum wurde das Album nicht unter deinem Namen veröffentlicht, und was verbirgt sich hinter dem Projektnamen „Blind Ego“?

Ich habe daran gedacht, aber den Gedanken wieder verworfen. Ich wollte mit dem Namen etwas aussagen und nicht einfach ein zumindest auf den ersten Blick typisches Gitarristen-Album abliefern. Schließlich wollte ich Songs schreiben und keine für Gitarristen-Alben leider oft typischen Geschwindigkeitsrekorde aufstellen. Für mich stehen eben die Musik und ihre Emotion im Mittelpunkt. Dazu schien mir ein Projekt-Name einfach passender. Blind Ego war der perfekte Name: das eigene Ego verwirklichen, absichtlich blind gegenüber anderen Meinungen und Einflüssen, damit auch allein mit sich selbst und das ganze noch durchzogen mit den eigenen Gedanken und Reflektionen. Als Tüpfelchen gibt es bereits auf der Violet District-Platte einen Song mit Namen „Ego“.


Waren einige Stücke zuerst für RPWL vorgesehen und passten dort nicht in den musikalischen Rahmen, oder handelt es sich ausschließlich um Material, das speziell für „Mirror“ geschrieben wurde?

Nein, das Material ist fast alles neu und bis auf wenige Motive im letzten Jahr entstanden. Es ist also keine Zweitverwertung. Im Gegenteil. Ich hatte das Gefühl, nach vier RPWL-Studioalben mal auf andere Weise Songs schreiben zu wollen und in einer anderen Konstellation daran zu arbeiten. In einer Band ist das immer ein ewiger Kompromiss, der zwar seine Vorteile hat, das eigene Ego allerdings automatisch zu kurz kommen lässt. Außerdem wollte ich auch mehr rockigere Songs machen, das kommt bei RPWL oft ein wenig zu kurz. Nachdem meine musikalischen Wurzeln eher aus dem Heavy-Bereich kommen, war dieses Album für mich fast schon überfällig. Außerdem ist es interessant, was für Aspekte der eigenen Musik deutlich werden, wenn der Rest der Band fehlt.


Wie entstanden die Kontakte zu den diversen Gastmusikern und war es schwierig, sie zu einer Teilnahme zu bewegen?

Die Kontakte haben sich im Laufe der letzten Jahre durch RPWL gebildet. John Jowitt zum Beispiel habe ich beim Rosfest in Philadelphia kennen gelernt. John Mitchell und Clive Nolan letztes Jahr beim Eclipsed-Festial, usw. Wenn man viel spielt und unterwegs ist, trifft man eben immer wieder dieselben Leute. Aber alle waren sofort bereit mitzumachen. Sie alle kannten ja auch die Musik von RPWL und deren Qualität und Produktionsstandard und waren nach Anhören der Demos endgültig begeistert.



Inwieweit haben deine Gäste die Musik beeinflusst? Gerade die Tracks mit John Mitchell erinnern zufälligerweise an dessen Band Kino.

Natürlich war ein Einfluss da! Und das war ja auch beabsichtigt. Sie alle sind gestandene und erfahrene Musiker und konnten und sollten ihren Teil dazu beitragen. Nicht gerade beim Songwriting, aber durch ihre individuellen und unnachahmlichen Interpretationen haben sie das Album erst zu dem gemacht, was es ist. Noch ein guter Grund, es nicht einfach nach meinem Namen zu benennen. Kino kannte ich vorher nur vom Namen. Ich habe die Alben erst gehört, als John Mitchell zur Disposition stand. Aber John hatte die ideale Stimme für die rockigeren Songs und er hat - wie alle - einen bravourösen Job gemacht.

Hast du dir von irgendjemandem Tipps bzgl. der Songs, deren Ausgestaltung und den Texten geben lassen oder hast du bei Blind Ego wirklich komplett dein ganz eigenes Ding durchgezogen?

Die Songs, Texte und die Arrangements sind ausschließlich von mir. Ich schreibe ja auch nicht nur für RPWL Songs und bin es von daher gewohnt, allein zu arbeiten. Aber der Reiz war natürlich groß, alles allein zu komponieren. Aber natürlich gibt es während der Produktion auch noch Arrangement-Änderungen und man diskutiert die Texte mit jemandem, dessen Muttersprache englisch ist. Außerdem haben beide Sänger noch Kleinigkeiten verändert, aber ich habe tatsächlich "komplett mein eigenes Ding durchgezogen", wie Du es so schön formuliert hast. Das war ja auch Sinn und Idee der ganzen Sache.


Das Album wurde von Yogi Lang produziert. Was war in eurer Zusammenarbeit anders als bei RPWL?

Die Arbeit war natürlich viel distanzierter als bei RPWL. Wenn der wesentliche kreative Prozess bereits abgeschlossen ist, konzentriert und beschränkt sich die Zusammenarbeit eben komplett auf das reine Produzieren, also die Realisierung. Dabei hat Yogi mit seiner immensen Erfahrung viel dazu beigetragen. Schließlich hatte ich alle Songs alleine geschrieben, arrangiert und die Demos erstellt. Dabei verliert man zwangsläufig den objektiven Blickwinkel. Während der Produktion lag also viel an ihm, die Songs neu auszurollen, Stärken und Schwächen zu erkennen und zu verbessern. Außerdem ist Yogi stets in der Lage, den roten Faden für ein Album aufrechtzuerhalten. Gerade bei verschiedenen Sängern, gemischt mit Instrumental-Songs ist das keine einfache Aufgabe. Beim Mix und Mastern kann man sich ebenfalls immer hundertprozentig auf ihn verlassen!



Kam es für dich nicht in Frage, bei diesen sehr persönlichen Themen auch selbst zum Mikrofon zu greifen?

Du hast mich noch nie singen hören, sonst hättest Du diese Frage nicht gestellt! hahahaha.... Im Ernst, ich bin nie wirklich auf die Idee gekommen, selbst zu singen. Dafür finde ich meine Stimme einfach nicht geschult genug. Und mir geht es ja immer um die Emotion in den Songs. Ich wäre einfach nicht in der Lage gewesen, meine eigenen hohen Ansprüche zu erfüllen.


Was hat es mit dem Bonustrack, der noch aus der Violet District Zeit stammt, auf sich und gibt es diesbezüglich Reaktionen von deinen ehemaligen Bandkollegen?

Der Song "Artist Manqué" ist bereits 10 Jahre alt. Ich habe vor etwas einem Jahr alte Bänder gefunden, auf denen die Gesangsspuren des Tracks als Demo erhalten waren. Der Rest konnte nicht wirklich verwendet werden. Also habe ich den Song neu arrangiert und im Rahmen der Blind Ego-Recordings gleich mit produziert. Es wäre einfach schade gewesen, wenn dieser Song unveröffentlicht bliebe. Außerdem war damals Violet District ein wichtiger Teil in meinem Leben und deswegen fügt es sich wunderbar zusammen, dass dieser Teil auf meinem Soloalbum Berücksichtigung findet. Für mich bedeutet dieser Song Nostalgie. Leider gibt es kaum noch Kontakt mit den früheren Band-Kollegen. Die haben alle mittlerweile die Musik aufgegeben.


Welche weiteren Produktionen laufen derzeit noch in den Farmland Studios?

Im Moment produziere ich eine Prog-Metal Band mit weiblicher Stimme, Hidden Timbre aus Gera, die im März ihr Album veröffentlichen werden. Danach steht dann erst einmal die Blind Ego-Tour an, und außerdem werden wir mit dem Songwriting fürs nächste RPWL-Album beginnen. Zuallererst jedoch steht die Blind Ego CD Release-Party am 27. Januar im Freisinger Lindenkeller an, bei der auch fast alle Gäste da sein werden. Außerdem werden wir mit RPWL ebenfalls einen Set beisteuern. Das wird sicher ein großartiger Abend werden!


Kristian Selm © Progressive Newsletter 2006