CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)
Domácí Kapela - Nedele
(43:58, Ujezd, 1992)
Es dauert zwar immer etwas länger, diesmal nur geradezu lächerlich vier Jahre, aber irgendwann sickern auch ganz langsam die Veröffentlichungen aus Osteuropa zu uns durch. Domácí Kapela stammen aus Tschechien, singen in der Landessprache (es gibt aber netterweise englische Übersetzungen) und passen nur schwerlich in eine der bekannten Schubladen. Wer nicht auf schräge Töne, abartigen Gesang und neue Höreindrücke steht, der kann das nachfolgend Geschriebene getrost überspringen (obwohl er selbstverständlich etwas versäumt) und sich sofort der nächsten Kritik widmen. Zuerst einmal zu den schrägen Tönen. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt bei den sechs Tschechen die Bearbeitung des Violoncello. Recht dominant erklingt es in fast allen Kompositionen und prägt den musikalischen Stil entscheidend. Die moll-lastige, melancholische Grundstimmung dieses Streichinstrumentes erfährt durch Hinzugabe dunkler Tastenklänge, z.B. Klavier aber auch mal Xylophon, dröhnender Gitarrenakkorde aus dem Untergrund und klarer Gitarrensoli im Vordergrund, die Vervollständigung eines suzid-trächtigen Klanggewächses. Die Lieder sind vom Rhythmus eher monoton und geradlinig vorantreibend, die umspielende Instrumentierung hypnotisch ekstatisch. Dazu der teilweise abartig hohe Gesang von Zuzana Bruknerová, die sich in keiner Weise vor japanischen Kolleginnen zu verstecken braucht. Sie juchzt, wenn auch zum Glück nicht immer in den höchsten Tönen, vor sich hin, so dass es wirklich eine wahre Freude ist, sofern man nicht schon nach wenigen Sekunden diese Scheibe entsetzt wieder aus dem CD Player befördert. Bei einem Lied flüstert noch Keyboarder Jan Brabec grauenhaften Sprechgesang Richtung Mr.Doctor von Devil Doll dazu. Aber nicht nur der Gesang, auch die Musik ist schon eher was für Leute mit stählernen Nerven. Im Unterbewusstsein drängt sich verstärkt als grobe Orientierung der Name Magma auf. Dunkle, düstere Stimmungen, die atmosphärisch absolut beeindrucken. Doch muss man dieser CD Zeit geben und sich intensiv mit ihr beschäftigen. Nach dem ersten Hören hielt sich mein Enthusiasmus noch in Grenzen, setzt man sich aber dauerhafter Berieselung aus, so wird man entweder langsam zum Zombie oder Serienmörder (aufgrund total depressiver Stimmung) oder man gewinnt "Nedele" doch den Eindruck der etwas anderen Seite des Prog ab. Wer also mehr die unheimlich und eigenartigen Töne bevorzugt, der sollte mit dieser CD seine Freude haben. Da es aber schon so lange gedauert hat, bis überhaupt mal eine CD von dieser Band aufgetaucht ist, wird es aller Voraussicht nicht leicht sein, dieses Teil zu bekommen. Also, viel Glück beim Suchen!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996