CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)

Vermilion Sands - Water blue
(46:33, Made in Japan, 1987)

Tja, das ist ja immer so eine Sache mit CDs aus Japan. Ist der oft recht hohe Importpreis es wert, sich diesen Silberling zuzulegen oder lässt man diesen Kelch lieber an sich vorüberziehen? Dann versuche ich mal diese Entscheidung etwas zu vereinfachen und analysiere, so gut es geht, diesen Tonträger, der bereits 1987 veröffentlicht wurde, jetzt aber als Reissue mit zwei neu aufgenommenen Liedern wieder erhältlich ist. Es beginnt gleich mit den neuen Versionen. "My pagan love" ist ein traditionelles Lied, das von Vermilion Sands neu arrangiert wurde. Da meine Kenntnisse gegenüber japanischer Volksmusik sehr, sehr gering sind (um ehrlich zu sein, außer der Coverversion von "Kojo no tsuki" vom "Tokyo tapes" Album der Scorpions kenne ich eigentlich nicht weiteres), äußere ich mich also nur über diese Adaption. In den sehr ruhigen drei Minuten singt Youko Rouyama mit glasklarer Stimme über schwebenden Keyboardklängen. Und schon jetzt höre ich wieder einige schreien: Hilfe, japanischer Gesang! Okay, Frau Rouyama hat eine sehr hohe Stimme, singt in Landessprache und viele werden mit ihr wieder ihre Probleme haben, jedoch besitzt sie eine Stimme und kein Stimmchen und vermeidet den typischen Nippon Kreischgesang. Positiv fallen, wie fast immer bei Klängen aus dem fernen Osten, die Produktion und die musikalischen Fähigkeiten auf. Die Besetzung ist traditionell (Gesang, Keyboards, Gitarre, Bass, Schlagzeug) und "Ashes of time" (netterweise sind die Lieder auch in englisch aufgeführt) weist gleich die Richtung, die in den folgend 43 Minuten noch eingeschlagen wird: leicht folkloristische Arrangements mit Soloeinlagen und sehr schöne Melodien. Spätestens im Schlussteil dieses Liedes, wenn eine Geige erklingt, zückt man gedanklich das Feuerzeug in die Höhe, einfach wunderschön. Um wenigstens was Vergleichbares als Gruppenname zur Orientierung zu bieten, werfe ich für diese Lied mal den Namen Renaissance (zur deren Hochphase Mitte der 70er) in die Runde. Bei "In your mind" wird dann gesanglich die englische Sprache gewählt, die man aber nur mühsam verstehen kann. Musikalisch geht man haarscharf an Kitsch und Belanglosigkeit vorbei und rettet sich gekonnt durch ein zuckersüßes Gitarrensolo. "Coral D - The cloud sculptors" hat dann noch mehr Renaissance Parallelitäten und erinnert stimmungs- und gesangsmäßig stark an deren "Prologue" Bei "Kitamoto" wird es besinnlich und ruhig. Fretless Bass und Akustikgitarre stehen im Vordergrund. "Living in the shiny days" führt dann von akustischen Instrumenten geprägt diese Wiederveröffentlichung recht beschwingt weiter, bevor "The poet" mit einen Duett zwischen Gesang und Gitarre "Water blue" sinfonisch ausklingen lässt.

Kristian Selm



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