CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)

Anima - Singularities
(48:24, PRW, 1996)

Drei Jahre nach ihrem Debüt "Tempus stetisse" legen Anima jetzt mit "Singularities" den Nachfolger nach. Ihre Musik ist die typisch brasilianische Variante des Neo Progs. Hoher melodischer Anteil, harmonische Strukturen und sehr keyboardlastig. Doch fehlt es an aggressiven Gegenpolen, um der Musik etwas mehr Biss zu verleihen. Jedoch gleiten Anima nicht vollständig in seichte Gewässer ab, wie es leider so oft bei südamerikanischen Gruppen passiert, denn dem hohen Melodieanteil wird stellenweise Frauenchor und orchestraler Bombast als Ergänzung beigefügt. Diesmal ist nur eins der fünf Lieder instrumental, wobei der Gesang auf den restlichen Stücken als verträglich und relativ akzentfrei durchgeht. Durch etwas zu viel Hall soll den englischsprachigen Sangeskünsten mehr Inhalt verliehen werden, was aber nicht ganz geglückt klingt. Die Länge der einzelnen Lieder variiert zwischen 6 und 15½ Minuten. Der musikalische und kompositorische Standard, der vorgelegt wird, kann als überdurchschnittlich und gekonnt umgesetzt bezeichnet werden. Schwachpunkt ist die etwas flach klingende Produktion, die Volumen vermissen lässt. Den instrumentalen Künsten, deren Qualität man aber trotzdem ohne weiteres erkennen kann, hätte doch etwas mehr Power gut getan. Neben den zudeckenden Keyboardklängen sind die Saitenkünste an Gitarre und Bass ebenso nicht zu verachten. Gerade das sechssaitige Instrument steuert einige sehr schöne Soli zur Auflockerung bei. Trotz der teilweisen Überlänge der Songs sind die Strukturen geradlinig und direkt, die vorhandene Verspieltheit ordnet sich weitgehendst den Kompositionen unter. Stilistisch schwankt man zwischen Melodic Rock und Neo Prog, mischt aber noch eine Prise New Age dazu. Anima halten mit diesem Album ihr eigenes Niveau und sind sicherlich eine der interessanteren brasilianischen Bands, die sich dem melodischen Rock verschrieben haben.

Kristian Selm



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