CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)
Payne's Gray - Kadath decoded
(67:21, Privatpressung, 1995)
Schon in der Gestaltung des Booklets, welches eigentlich aus einem sehr schön gemalten, aufklappbaren Poster mit Liedtexten, Erläuterungen und Danksagungen auf der Rückseite besteht, beweisen Payne's Gray einen guten Geschmack. Auch der vertonte Inhalt, ein Konzeptalbum, welches auf dem Buch "Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath" von H.P. Lovecraft basiert, zeigt ebenfalls Ansätze voller Ideenreichtum und Abwechslung. Nicht zu Unrecht bekam diese Produktion schon in andren Gazetten positive Rezensionen, wo ich mich eigentlich nur noch anschließen möchte. Worauf begründet sich dies, dass selbst der Kritiker ausnahmsweise mal fast vollständig zufrieden ist? Dies hängt einfach an der musikalischen Umsetzung, wo reichlich Instrumente in verschiedenen Spielarten zu hören sind: von mehr ruhigen und besinnlichen Klavier-, Flöten- und Akustikgitarreneinlagen, bis hin zu schwermetallisch-mäßigem Gitarrengedresche. Neben der instrumentalen Vielfalt haben ebenso die einzelnen Lieder verschiedene Stimmungen, die, neben angenehmer Ruhe und nötiger Aggressivität, auch spannungsvolles, leicht orientalisches Liedgut, sowie sinfonischen Heavy Bombast enthalten. Auch können die Arrangements voller Raffinesse überzeugen. Payne's Gray merkt man jedoch unweigerlich die Metal-Lastigkeit ab, geprägt durch stil-typische Heavy Shouter Stimmen der Frontmänner Hagen Schmidt und Haluk Balikci (ja, richtig gelesen, diese Gruppe verfügt gleich über zwei Sänger), weiterhin der recht deftigen Bearbeitung der Noise Guitar und der normalen Gitarre. Aber halt, bevor hier der Eindruck entsteht, dies sei wieder einer dieser Heavy Scheiben mit etwas progressiven Elementen, dem sei gesagt, dass er gewaltig irrt. Wüste, abwegige Soundcollagen werden eingestreut, wunderschöne, leicht melancholische Flötentöne von Jan Schröder erklingen recht verträumt, daneben gibt es aber auch noch vertrackte Strukturen. Hier wird mehr Abwechslung geboten, als auf manchen anderen, meist selbsternannten "progressiven" Scheiben. Neben allzu viel Lobhudelei darf aber auch etwas konstruktive Kritik nicht fehlen. Aus den recht vielen Stilwechseln kann man natürlich dieser Band genauso einen Strick drehen, indem man behauptet, dass sie sich einfach nicht entscheiden konnten. Weiterhin ist es recht schwierig aus dem Gesamtwerk ein Stück herauszuheben, welches unbedingt heraussticht. Zwar erkennt man nach mehrmaligem Hören bestimmte Passagen wieder, aber sehr prägnante Strukturen bleiben nicht im Gedächtnis. Trotzdem liefern Payne's Gray mit ihrer Musik voller Abwechslung und Überraschungen ein Debüt ab, welches wirklich volle Aufmerksamkeit und Achtung verdient. Endlich mal wieder der Beweis, dass es doch qualitativ gute Veröffentlichungen und hoffnungsvolle Bands in Deutschland gibt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996