CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)
Lynne - Witchwood
(61:08, Mellow Records, 1996)
Eigentlich sollte diese Musik einmal der Soundtrack zum Computerspiel "Witchwood" werden. Als die Produktion zu diesem Spiel gestoppt wurde, entschloss sich der Norweger Björn Lynne trotzdem dieses Projekt zu beenden. In den Klängen und Geräuschen spiegelt sich seine Liebe zur Natur seiner Heimat und deren Wildheit wieder. Soweit zur Einleitung, um diese CD besser einordnen zu können. Gemein, wie ich bin, fange ich gleich mal zu mäkeln an. Trotz intensiver Beschäftigung mit diesem Tonträger konnte ich leider die auch mir bekannte Wildheit der norwegischen Natur nicht wiedererkennen. Vielmehr produziert Lynne, wie er sich ja selbst auf seinen Veröffentlichungen betitelt, wunderschön einlullenden New Age-lastigen Wohlklang und Fröhlichkeit. Etwas Vogelgezwitscher und Waldgeräusche, gepaart mit eingängigen und geradezu vor Harmoniesucht strotzenden Kompositionen, sprühend vor kindlicher Vergnügtheit. Wären Pippi Langstrumpf und Astrid Lindren's Michel aus Lönneberga nicht in Schweden zu Hause, könnte man glatt meinen, sie hätten hier Pate gestanden. Doch hatten beide mehr Unsinn im Kopf und waren in der Ausübung irgendwelcher Späße wesentlich innovativer, als dieser an einem vorbeiziehende musikalische Nebel ohne rechten Inhalt. Die 19 Lieder sind war alle wunderbar anzuhören, überaus professionell produziert, gehen jedoch schnell durch die Gehörgänge und wieder heraus. Wirklich interessant wird es nur dann, wenn auch mal zur Gitarre (die Oldfield mäßig klingt) gegriffen wird, da dann endlich Abwechslung und Spannung aufkommt. Wahrscheinlich wären dies die Bonusspiele gewesen. Beim Titelsong nuschelt dann zu allem Überfluss Björn Lynne daselbst gesanglich vor sich hin. Das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen! Zum Glück kontert er im weiteren Verlauf des Stücks mit einem gelungen Gitarren- und 20(!) sekündigen Keyboardsolo. Als Untermalung eines Computerspieles, was ja auch die eigentliche Absicht dieser CD war, wären diese musikalischen Ergüsse wirklich gut zu gebrauchen, doch allein zum Anhören sind die fast immer gleichen wiederkehrenden Tonfolgen aus Tasten und Rhythmusmaschine nur bedingt anhörbar. Da es aber auch Zeitgenossen gibt, die sich Tonträger von PC Spielen zulegen, ist dies die absolut richtige Käufergruppe. Der Rest kann getrost weghören.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996