CD Kritik Progressive Newsletter Nr.8 (03/1996)

Jon Lord - Sarabande
(50:08, Line Records, 1975)

Auch der Tastenmann von Deep Purple zeigte Mitte der 70er seine klassische Ader. Aufbauend auf der Musik einer barocken Suite, bietet Jon Lord in seinem Kompositionen Musikstrukturen, die sich grob mit Rick Wakeman's "Journey to the centre of the earth", jedoch ohne Chor und Erzähler, vergleichen lassen. Bei Mr.Wakeman sticht dabei die Keyboarddominanz hervor, während Mr.Lord mehr sanft in die Tasten greift und die Tendenz schon sehr weit in klassische Gefilde geht. Was schon bei Deep Purple's "Concerto for Group and Orchestra" begann, dem ersten Soloalbum "Gemini Suite" eine Fortsetzung fand, ist bei "Sarabande" die Weiterführung zu absolut orchestralen Kompositionen, bei denen die reinen Rock Teile nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das Philharmonische Orchester aus Ungarn unter der Leitung von Eberhard Schoener dominiert, einzig die Schlagzeugarbeit von Pete York und Mark Nauseefs Percussionseinlagen setzen Gegenpole. Bei "Gigue" ist dann auch endlich mal die E-Gitarre zu hören, Hammond Akkorde erklingen gefällig erst im Hintergrund, um sich im Laufe des Stückes hervorzuarbeiten. Zum Schluss ein Schlagzeugsolo, technisch hervorragend gespielt, aber diese Art von Soloeinlagen sind leider nicht mein Ding. Neben Hammond und Klavier greift Jon Lord auch zum Synthesizer, ohne jedoch die Virtuosität eines Keith Emerson zu erreichen. Grundsolide Melodieführung mit kleineren Einlagen, dabei immer im Sinne der Komposition bleibend. "Bourée" beinhaltet ein zu Beginn ausnahmsweise schweigendes Orchester, wodurch man zwar an Klangbreite verliert, aber sich die reinen Rockinstrumente in den Vordergrund spielen können. Gleiches bei "Caprice". Flott arrangiert, schwungvoll durch den Komponisten an der Hammond vorangetrieben und vom orchestralen Ballast befreit. Herauszuheben ist noch die wunderschöne Akustikgitarrenarbeit bei "Pavane", ruhig und traumwandlerisch schön, unterstützt von angedeuteter Bluesuntermalung am Klavier, wandern die Tastentöne über leicht schwelgenden Jazz zurück zur Klassik. Mit klassisch ambitionierten Rockwerken habe ich trotzdem Probleme, so dass ich, trotz des künstlerischen Anspruches und der unbestrittenen Qualität dieser CD, wenig mit ihr anfangen kann. Dann schon lieber Klassik im Rockgewand, wie es z.B. ELP auf "Pictures at an exhibition" präsentieren. Aber Gefallen und Missfallen ist in diesem Falle reine Geschmackssache.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1996