CD Kritik Progressive Newsletter Nr.8 (03/1996)

Höyry-Kone - Hyönteisiä voi rakastaa
(46:25, Ad Perpetuam Memoriam, 1995)

Dass der Prog momentan in Skandinavien boomt, hat sich ja wohl mittlerweile rumgesprochen. Bis jetzt handelte es sich aber meist um schwedische oder auch mal um norwegische Gruppen. Dass es aber am Polarkreis oben noch eine andere Nation gibt, zeigt und diese Gruppe aus Finnland mit dem unaussprechlichen Albumtitel. Da man, von den Flower Kings mal abgesehen, mit den Nordländern eher unkonventionellen, abgefahrenen Prog abseits der ausgetretenen Wege verbindet, hat man ja schon mal eine Vorahnung, in welche Richtung die Musik gehen könnte. Und auch diese Dame mit den sieben Herren enttäuschen einen nicht. Tatsächlich hätte ich auch das Booklet gelesen zu haben, sofort auf Skandinavien getippt. Dass die CD dann noch auf dem Ad Perpetuam Memoriam Label erschienen ist (mit u.a. Simon Steensland aus dem letzten Heft), bekräftigt diese Einschätzung nur noch. Trotzdem ist das Album nicht so leicht einzuordnen, da sich die einzelnen Lieder untereinander manchmal recht stark unterscheiden. Der erste Song "Örn" verblüfft gleich mal durch einen lachhaften Anfang mit schmissigen Schunkel-Rhythmus und einem Männergesang, wie ihn der Chor der russischen Schwarzmeerflotte nicht besser rüberbringen könnte. Prog goes Leningrad Cowboys? Ist das jetzt ernst gemeint oder verarschen die uns bloß? Ich denke wohl letzteres, da sich die Scheibe ab Lied zwei dann doch eher der "ernsteren" Musik zuwendet. Dass das aber nicht immer der typische Prog ist, wie wir ihn kennen (und lieben) muss aber deutlich gesagt werden. Also, kein Bombast und ausgedehnte Keyboard- und Saitenduelle. Die Keyboards kommen sehr selten vor, es dominiert die Gitarre, die meist die Melodien spielt. Auch eine Geige und ein Cello geben sich ab und zu mal ein kurzes Stelldichein. Viele Lieder sind langsame oder Mid-Temponummern. Der Stil ist manchmal leicht experimentell, zeitweise auch kurz nur rockig-bluesig, um dann wieder in anspruchsvolle Passagen mit King Crimson Einschlag umzuschwenken. Der Grundton auf dem ganzen Album ist eher Moll, insbesondere in den langsamen Songs. In den schnelleren Liedern kommt manchmal noch kurz der eingangs erwähnte "russische Chorgesang" zum Einsatz, was das Ganze etwas auflockert. Der finnische Gesang wird nicht oft eingesetzt, stört aber auch nicht, obwohl es sich natürlich ungewohnt anhört. In einigen Teilen klingt es wie etwas minimalistischere Anekdoten, geht aber weniger gut ab, als diese. Letztgenannte haben Höyry-Kone übrigens auch mit dem Ad Perpetuam Memoriam Label zusammengebracht und können so als Mitgeburtshelfer dieser Scheibe gelten. Liebhaber der skandinavischen Bands sollten mal kurz ein Ohr riskieren, um in diese Scheibe reinzuhören. Sie bekommen dann Musik zu hören, die zwischen einfach-rockig und komplex-progressive oft mehrmals innerhalb eines Liedes wechselt. Im ganzen gesehen sind die Kompositionen und der Sound aber nicht so kraftvoll, wie bei den schon erwähnten Anekdoten.

El Supremo



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