CD Kritik Progressive Newsletter Nr.8 (03/1996)

After Crying - Föld és ég
(60:32, Böszörményi Gergely, 1994)

Der Osten Europas scheint auch langsam vom progressiven Fieber erfasst zu werden. Tendieren die guten Bands aus Polen Richtung Neo Prog (Collage, Albion), so sind die Ungarn mehr ihren folkloristischen Ursprüngen, sowie klassischen Ansätzen verbunden. After Crying ergänzen diese Tendenzen noch durch Anleihen bei anderen Prog Größen, auf die ich noch nachfolgend eingehe. Von den Vergleichen her, beginnt man sehr ELP-orientiert. Das zweiteilige "Mantiocore érkezése" klingt von den Tasten her doch stark Emerson-lastig, kann aber leider kompositorisch nicht ganz dem großen Vorbild das Wasser reichen. Auch "Rondo" ist spieltechnisch und von der Spielweise des Klaviers sehr ELP und The Nice ähnlich, dieses mal jedoch dem Vorbild schon eher ebenbürtig. Doch sind die stillen Töne eigentlich mehr das Hauptmerkmal dieser CD. Sehr schön abgestimmte Gesangsharmonien in Landessprache tendieren hin zum klassischen. Sparsam arrangiert, stehen die sehr guten Vokalkünste bei insgesamt zwei Liedern im Vordergrund. Zusätzlich drei ruhige Instrumentals - mal allein von der Akustikgitarre, dann ein sehr klassisches Klavierstück - fehlt es ebenso auch nicht an einem Trompetensolo, wo ich mich schon fast in Weihnachtszeit versetzt fühle, wie schon der Titel "Puer natus in Bethlehem" erahnen lässt. Nach so viel ruhigen Wohlklang, kriege ich schon fast sentimentale Gefühle und hoffe doch innigst, dass sich bald etwas ändert, bevor ich völlig wegtrete. Beim nachfolgenden "Júdás" sorgen Trompetentöne zwar ebenfalls für den Klassik Touch, die E-Gitarre setzt dagegen aber solistisch einen Gegenpol. Titel 10 ist auf über sieben Minuten ein fast schon experimentelles Sprechstück. Zum Ende bei "Kétezer èv" werden dann noch alle Register der schönen Klange gezogen. Von Flöte, Trompete, Cello, Gitarre bis hin zum Gesang, alles einfach nur noch wunderbar anzuhören, wirkt dabei wieder leicht folkloristisch. Doch schleichen sich auch leider einige, meinen Ohren und Geschmack nach, danebenliegende Töne ein. Eine zweifelsohne musikalisch sehr schöne CD. Von sehr ruhigen, reinen Klassikstücken, die meist nur von einem Instrument geprägt sind, bis hin zu Progressivem Rock mit Anleihen aus den 70ern, bieten After Crying ein breites Spektrum. Da ich aber trotzdem noch meinen persönlichen Senf dazugegeben muss, gebe ich ehrlicherweise zu, dass mit After Crying leider nicht zusagt, da doch zu viel Klassik im Spiel ist.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1996