CD Kritik Progressive Newsletter Nr.80 (04/2014)

Kevin Kendle - Winter
(58:37, Eventide Music, 2006)

Nicht, dass ich ein unbedingter Freund der kalten Jahreszeit bin, aber der Winter hat sich doch als mein persönlicher Favorit heraus kristallisiert. Zumindest bezogen auf die Jahreszeiten-Reihe des Elektronik-Musikers Kevin Kendle. Von den sowieso schon durchweg schönen Alben dieser Serie ist "Winter" für mich das Highlight. Schon mit dem 10 ½ minütigen Opener "January sunrise" hat er bei mir gewonnen. Zunächst perlt und fließt es ganz wunderbar, schließlich gesellt sich zu den sanften Keyboard- und Glockenklängen eine Akustik Gitarre. Und kurz darauf folgen feinste Bläserarrangements. Doch beides ist nicht "echt", sondern basiert auf Keyboards. Das in diesem Abschnitt vorherrschende Thema erinnert mich kolossal an Mike Oldfields "Hergest ridge" Album. Und zwar, um genau zu sein, an genau den Part mit akustischen Gitarren und Oboe, den ich für eine der besten Kompositionen Oldfields überhaupt halte. Und das ist sicherlich keine reine Zufälligkeit, denn im Interview in der letzten PNL-Ausgabe hat Kendle ja schon seinen Bezug zu Mike Oldfield dargelegt. Doch auch die sechs auf diesen Ohrenschmaus folgenden Titel sind bestens gelungen. Das sind wunderschöne Keyboard-Landschaften, bisweilen mit leicht klassischem Einschlag - weit entfernt von billigem New Age Gesäusel. Ob simulierte Oboen oder einfach nur klassisches Piano - das hat Stil. Und schließlich ist dann doch nicht alles reine Tastenarbeit, auf manchen Songs wird Kendle von befreundeten Musikern begleitet, so u.a. von Chris Conway (whistles, zither), Nigel Shaw (flute, whistle) oder James Asher (hammered dulcimer). Auf der letzten Nummer, dem eher etwas sphärischen "Silent trees", gastiert Brian Abbott an der Glissando Gitarre. Da bekommt man eine Ahnung, in welche Richtung seine "Deep skies" Alben gehen. Das ist schlichtweg pure Schönheit!

Jürgen Meurer



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