CD Kritik Progressive Newsletter Nr.80 (04/2014)

Dusan Jevtovic - Am I walking wrong?
(42:12, Moonjune Records, 2013)

In Serbien geboren und Spanien wohnhaft, veröffentlichte Dusan Jevtovic (und wie im Presseblatt abgedruckt, so zu prononcieren: Doo-shan Yeh-fto-vich) 2009 sein Debüt "On the edge". Das Follow-Up "Am I walking wrong?" ist ein sperriges Jazzrock-Werk mit alternativen Anleihen und modernem Powerrock-Gesicht, das sich hier und da, wenn so ein Song sich aus der Komposition geschält hat, nach kantigen und spröden Momenten, die kaum charmant sind, ins Wilde und Freie aufmacht, wo die Energie hoch fließt und der Sound ordentlich Laune macht. Leider dauert es immer ein wenig, bis Doo-shan Handgelenke und Kopf freigespielt hat, doch sobald das erreicht ist, pulsen seine instrumentalen Songs enorm hoch. In den 10 Songs und 42:14 Minuten CD-Länge wird der Gitarrist von Bernat Hernández (b) und Marko Djordjevic (dr) (beide ohne Prononcierung) begleitet, die im Booklet eher harmlos aussehen, es aber ordentlich in sich haben. Das federleicht hammerschwere Handwerk gerade der Yeh-fto-vich - Begleiter ist die enorm eindrucksvolle Kraft des Albums, oder besser: das Trio als Ganzes. Doo-shan spielt überwiegend improvisativ, kaum in deutlichen Soli, eher in dreckigem, schweren Ton, der aus Gefühlen statt konkreten Noten lebt. Manche minimalistische Idee in den Kompositionen als Basistrack für den frei aufbrechenden Heavy Jazzrock wirkt auf den ersten Eindruck, nun, schlicht. Erst wenn das komplette Album ein paar Mal durchgelaufen ist und die gesamte Albumidee sich vermittelt, wird die Musik im Kopf selbständig und wirkt als die Droge, wie sie gedacht war. Doo-shan macht es sich und seinen Hörern nicht leicht. Sein Jazz- wie sein Rockverständnis hat wulstige, spröde Epik, die entdeckt werden will und nicht mit überraschenden und eingängigen Harmonien aufwartet. Es gibt keinen esoterischen Progressive Rock, eher so etwas wie Jazz, der nach Jugendpunk im Erwachsenwerden nach universitärer Ausbildung zu Avantgarde wird. In der ersten Reihe der Jazzrock-Gilde wird der Mann mit den krassen Ideen nie stehen, dafür aber für überraschende Konzerte sorgen, in denen Musiker wie Hörer freier und offener sind, als die Einen im Studio und die Anderen im Wohnzimmersessel.

Volkmar Mantei



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