CD Kritik Progressive Newsletter Nr.80 (04/2014)

The Dustman Dilemma - First trip to the roaring plains
(46:15, Baboon Fish Label, 2013)

Über die Jahre hat sich so etwas wie das Prog Subgenre "Charly Musik" entwickelt. Für die Nicht-Insider: gemeint ist damit natürlich die musikalische Sichtweise des umtriebigen Charly Heidenreich, der in Würzburg immer wieder Bands aus dem Randbereich zwischen Avantgarde Prog, Jazz Rock und progressivem Wahnsinn präsentiert. The Dustman Dilemma passen perfekt in dieses fordernde Beuteschema: für den Ungeübten und Unvorbelasteten sicherlich recht wild, wer sich mit anderen Bands aus diesem Dunstkreis bereits erfolgreich auseinandergesetzt hat, aber gewohnt harter, leicht schräger, wenn auch nicht zu durchgeknallter Stoff. Zu den sonstigen Fakten: The Dustman Dilemma stammen aus der Normandie, nämlich aus Caen und ihr Albumdebüt setzt auf stetige Kontrapunkt Aktionen zwischen wildem, expressiven Saxophon- und Klarinettenspiel im Wettstreit mit schwungvollem, virtuosen Jazz Rock der flott überdrehten Spielart. Dabei steht hier eindeutig Rock vor Jazz, gehören auch einige humorige Gesangspassagen in Englisch zum Repertoire der Franzosen. Vor allem der Spannungsbogen zwischen langsamer, fast schon tranceartiger Dynamiksteigerung und kammermusikalischer, avantgardistische Wucht erfährt hier einige interessante Schattierungen. Eine leicht krautige, psychedelische Färbung, sowie eine lebendige, keineswegs verkopfte Spielweise tun ihr übriges dazu, dass man hier immer wieder neu überrascht und mehrfach auf neue Reisen mitgenommen wird. Einzig beim teils sphärisch-experimentellen "Discovery of the wondering clouds people" geht die innere Aufgeregtheit verloren. Alles in allem: nichts für schwache Nerven, aber dafür wirklich gut!

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2014